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Granger Ann - Varady - 02

Titel: Granger Ann - Varady - 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denn umsonst ist nur der Tod
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machen.
»Ein Verbrechen?«, fragte er mich misstrauisch. »Eine
Schlägerei? Oder ein Verkehrsvergehen?«
»Nichts dergleichen. Viel ernster.« Seine Miene hellte sich
auf, und ich fügte rasch hinzu: »Na ja, eigentlich habe ich es
nicht selbst gesehen.«
Das gefiel ihm nicht. Er hatte einen Kugelschreiber zur
Hand genommen, den er nun wieder hinlegte, als er mich
mit gerunzelter Stirn unter dem zurückweichenden Haaransatz ansah. In mir wuchs der Verdacht, dass Ganesh vielleicht doch Recht gehabt hatte.
Ich begann rasch zu erzählen, bevor er mich unterbrechen konnte, und es gelang mir, den größten Teil von Alkie
Albies Geschichte vorzubringen.
Zumindest die Frau mit dem Nachbarschaftsproblem
schien sich dafür zu interessieren. Sie verstummte mit ihrer
eigenen Beschwerde und beobachtete mich, während sie
meinen Worten lauschte.
Der Dienst habende Sergeant sah aus, als könnte er den Tag
seiner Pensionierung nicht mehr erwarten. »Damit ich das
richtig sehe«, begann er gedehnt. »Irgendein alter Bursche, der
sich zufällig neben Ihnen auf eine Bank in der Bahnhofshalle
gesetzt hat, erzählt Ihnen, dass er eine Entführung beobachtet
habe. Warum hat er sie nicht selbst gemeldet?«
»Er ist ein Stadtstreicher«, antwortete ich. »Er will keine
Scherereien.«
Der Beamte verdrehte theatralisch die Augen. »Er ist ein
Stadtstreicher? O, das macht die ganze Sache natürlich bedeutend einfacher! Sie kennen nicht zufällig seinen Namen,
schätze ich? Weil wir nämlich, meine Liebe, mit dem, was Sie
uns hier gerade erzählt haben, kaum was anfangen können!
Die meisten dieser alten Penner sind nämlich nicht mehr
ganz klar im Oberstübchen. Sie leben in ihrer eigenen Welt,
wenn Sie verstehen. Das kommt davon, dass sie alles Alkoholische trinken, was sie in die Finger kriegen! Sie würden nicht
glauben, was diese Leute in sich hineinkippen, ohne mit der
Wimper zu zucken! Sachen, die Sie und mich auf der Stelle
vergiften würden! Sie verlieren jeglichen Kontakt zur Realität!
Selbst wenn wenigstens ein Körnchen Wahrheit in der Geschichte steckt, stimmt der zeitliche Maßstab nicht mehr. Sie
erzählen Ihnen, dass sich gestern irgendetwas ereignet hat,
und in Wirklichkeit ist es vierzig Jahre her! Wenn Sie seinen
Namen kennen, könnten wir die Geschichte natürlich überprüfen – das heißt, falls wir ihn finden.«
In gewisser Hinsicht hatte er wahrscheinlich Recht; ich
für meinen Teil glaubte nicht, dass der Alkohol Alkie Albie
so fertig gemacht hatte, trotz seines Spitznamens. Ich wusste, was ihm den Rest gegeben hatte – die Trennung von Fifi,
Mimi und Chou-Chou hatte das Band zwischen Albie und
der Realität durchschnitten. Die nette gute Frau hatte die
Tiere mitgenommen und ihnen ein gutes, neues Zuhause
gesucht. Doch seitdem fragte sich Albie an jedem Tag seines
Lebens, was mit seinen Pudeln wirklich passiert war (von
denen einer sehr wahrscheinlich alkoholsüchtig war).
»Ich kann Ihnen tatsächlich den Namen nennen«, erklärte ich stolz und voller Zuversicht, Eindruck zu machen. »Er
lautet Albert Antony Smith.«
Der Name erweckte Eindruck, ohne jeden Zweifel. Der
Sergeant ließ seinen Kugelschreiber fallen und brach in
brüllendes Gelächter aus. »Was denn, Alkie Albie? Alkie Albie hat Ihnen eine von seinen Geschichten erzählt? Herr im
Himmel, ich werd verrückt! Ich hab mir all das angehört,
und dann stellt sich heraus, dass es einer von Alkie Albies
Albträumen war?« Er beugte sich vertraulich über den Tresen. »Hören Sie, der alte Albie ist hier kein Unbekannter. Er
ist nie nüchtern. Er ist nur entweder mehr oder weniger betrunken. Er hat gar nichts gesehen, Süße, glauben Sie mir!«
»Als er mit mir geredet hat, war er jedenfalls nicht betrunken«, widersprach ich. »Im Gegenteil, er hat einen Kaffee getrunken!«
»Das wäre das verdammte erste Mal! Der alte Alkie Albie
soll etwas getrunken haben, das nicht in Flammen aufgeht,
wenn man ein Streichholz dranhält?«
»Ich habe ihm den Kaffee spendiert«, beharrte ich. »Ich
weiß, was er getrunken hat. Und ich glaube, was er mir erzählt hat.«
Der Sergeant lächelte mich freundlich-nachsichtig an, wie
man es mit Menschen macht, die von jemand anderem aufs
Kreuz gelegt worden sind. »Hören Sie zu, meine Liebe. Er
glaubt ja selbst, dass er es gesehen hat. Sie glauben, dass er es
gesehen hat. Aber der gute alte Albie sieht alles Mögliche,
wenn er einen getrunken hat! Er hat Halluzinationen, verstehen Sie? Vielleicht war er

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