Granger Ann - Varady - 02
wäre er noch
am Leben, wenn er sich leichter hätte einschüchtern lassen
oder wenn die Aussicht auf einen Drink sein Gehirn nicht
für wichtigere Dinge unempfindlich gemacht hätte.
Unvorsichtig sagte ich: »Er wird wohl in der Nähe der
Kirche geblieben sein.«
»Was?! Was soll das denn heißen?« Ich schwöre, dass Parrys Nase und seine Ohren zitterten.
Also musste ich ihm von den Abenteuern des vergangenen Abends erzählen. »Ich wollte ihn überreden, mit mir zu
Ihnen zu kommen«, schloss ich. »Ich habe mich nicht eingemischt. Ich habe versucht zu helfen!«
Ich vermute, ich klang trotzig. Er grunzte und sagte: »Wir
haben auch nach dem dummen alten Kerl gesucht. Ich habe
einen nur schwer zu entbehrenden Mann nach Marylebone
und Paddington und jeder U-Bahn-Station dazwischen geschickt, um bis zum Oxford Circus nach Albie Smith zu suchen. Ich bin sogar selbst bei dieser Kirche gewesen, von der
aus Smith angeblich die Entführung beobachtet haben will.
Er war nicht da. Stattdessen hing da ein anderer Stadtstreicher rum. Der hat vielleicht zum Himmel gestunken! Es war
nicht Smith, und er ist sofort getürmt, als er mich gesehen
hat. Sie sind nie so betrunken, dass sie einen Polizisten nicht
sofort erkennen würden!«
»Wahrscheinlich, weil es zu offensichtlich ist, dass Sie
und ihre Kollegen Polizisten sind!«, murmelte ich. »Sie waren zu früh da. Albie ist erst später gekommen, genau wie
die beiden Typen, die nach ihm gesucht haben. Albie hat die
Entführung von dort aus, aus dem Windfang von St. Agatha
beobachtet, genau so, wie er gesagt hat. Die Kidnapper müssen es gemerkt haben, deswegen sind sie vergangene Nacht
zurückgekommen, um Albie zum Schweigen zu bringen. Ich
bin ziemlich sicher, dass ich einen von ihnen erkannt habe!
Er heißt Merv, ein großer Kerl mit einem Arsenal-LondonTattoo und fast weißen Haaren. Er ist Stammgast im Rose und fährt einen blauen Cortina mit einer langen Schramme
an der Seite. Den Cortina, den Albie als das Entführungsfahrzeug identifiziert hat – und den ich letzte Nacht gesehen
habe, als sie versucht haben, Albie zu entführen.«
»Gestern Nacht wurde ein ausgebrannter Cortina gefunden«, berichtete Parry nachdenklich. »In der Nähe des Parks.
Die Feuerwehr ist um vier Uhr morgens benachrichtigt worden. Keine Spur von einer Leiche im Wagen. Die Feuerwehr
meint, es wären vielleicht jugendliche Autodiebe gewesen, die
den Wagen zu einer Spritztour geklaut und abgefackelt hätten, als sie damit fertig waren.«
»Merv und sein Kumpan sind nicht dumm. Ganesh und
ich haben den Wagen gesehen«, erklärte ich so geduldig wie
möglich. »Also haben sie ihn sich vom Hals geschafft.«
Parry war immer noch nicht überzeugt. »Falls Sie Recht
haben und die zwei zurückgekommen sind, um einen Zeugen zu beseitigen, warum haben sie dann den Leichnam
nicht im Wagen gelassen, bevor sie das Fahrzeug in Brand
gesteckt haben? Auf diese Weise hätten sie ihn sich gründlicher vom Hals geschafft – plus oder minus ein paar verkohlter Knochen.«
Wirklich kein Wunder, dass unsere Kriminalitätsrate
dermaßen hoch ist!
»Wenn die Feuerwehr einen verkohlten Leichnam in dem
Wrack gefunden hätte, würde doch die Polizei versuchen,
ihn zu identifizieren«, erklärte ich geduldig. »Falls die dann
herausgefunden hätte, dass der Tote Albie ist – und Merv
konnte nicht sicher sein, dass die Polizei es nicht herausfinden würde –, dann hätte die Polizei wissen wollen, was zur
Hölle Albie in diesem Wagen zu suchen gehabt hatte. Klar,
die wollten, dass Albie mausetot ist, aber es musste wie ein
Unfall aussehen. Unglücklicherweise haben Ganesh und ich
die beiden vorher gesehen, als sie versuchten Albie von der
Straße weg zu entführen.«
Parry fixierte mich mit blutunterlaufenem Blick. »Das ist
richtig«, sagte er. »Die Kerle wissen, dass Sie sie gesehen haben – und die Kerle haben Sie erkannt. «
Das brachte mich zum Schweigen. Sie hatten mich gesehen. Vielleicht würden sie als Nächstes nach Ganesh und
mir suchen. Der Zwischenfall vor zwei Nächten kam mir
wieder in den Sinn. Das war schlimm genug gewesen. Ein
nächtlicher Spaziergänger hatte ausgereicht, um meine Fantasie mit schauerlichen Szenarien förmlich überschäumen
zu lassen. Jetzt gab es die real existierende Chance, dass sich
Mörder und Kidnappern aus real existierendem Fleisch und
Blut auf meiner Fährte befanden. Ich überlegte, ob es der
Mühe wert sei, Parry von dem Kerl draußen auf dem
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