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Granger Ann - Varady - 02

Titel: Granger Ann - Varady - 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denn umsonst ist nur der Tod
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Literflasche.
    Selbstverständlich wäre der endgültige Beweis erst erbracht, wenn sie Albies Fingerabdrücke auf der Flasche fanden. Ich fragte mich unbehaglich, wo Albies Leichnam sein
mochte. Bei einem Leichenbeschauer? Würde es überhaupt
eine Obduktion geben? Wahrscheinlich, vermutete ich. Unnatürliche Todesursachen mussten untersucht werden. Sie
würden nach einer Bestätigung suchen, dass Albie ertrunken
war, und wir wären keinen Schritt weiter. Ich musterte die
Plastiktüte mit der Flasche. Jonty hatte sie in der Hand gehabt, außerdem Ben und schließlich ich, auch wenn ich vorsichtig gewesen war. Sie war mit anderen Abfällen aus der
Mülltonne kontaminiert, und Bens Hände waren groß wie
Schaufeln. Falls Albies Fingerabdrücke darauf gewesen waren, dann waren sie inzwischen zumindest verwischt, wenn
nicht ganz weggewischt.
    So weit gekommen, entdeckte ich, dass ich nicht in Richtung meiner Wohnung wanderte, sondern in die entgegengesetzte Richtung, auf das Frauenhaus von St. Agatha zu. Es
schien, als hätte mich eine innere Stimme dorthin geführt.
    Das Frauenhaus stand in einer Straße nicht unähnlich der,
in der ich nun wohnte, und es sah aus wie ein stilles, respektables Haus. Es gab nur einen einzigen Hinweis darauf, dass
sich hier für die Gegend Ungewöhnliches ereignen konnte:
Die untere Hälfte des Fensters rechts von der Tür war mit
einem Brett vernagelt, wohl weil die Scheibe dahinter zerbrochen war.
    Das und das winzige, höchst diskrete Schild neben der
Türglocke mit der Aufschrift »Frauenhaus«. Ich stand auf
der Treppe und fragte mich, was ich sagen konnte, um überzeugend zu klingen. Mir fiel keine Geschichte ein, und so
betätigte ich einfach die Klingel und vertraute auf mein
Glück und meine Intuition.
Die Tür wurde von einer hageren Frau mit misstrauischem Gesichtsausdruck geöffnet. Ihre Haare, eine altmodische strenge Pagenfrisur in einem unwahrscheinlich eintönigen Rot, mussten eine billige Perücke sein.
    »Kommen Sie herein«, sagte sie ohne Umschweife, und
ich fand mich in einem schmalen Hausflur wieder, in dem
es nach gekochtem Gemüse roch. Aus dem hinteren Teil des
Flurs, durch eine halb geöffnete Tür hindurch, drang das
Klappern von Geschirr, als würde der Tisch für das Abendessen gedeckt. Im oberen Stockwerk weinte ein Baby, und
ein plötzlicher Ausbruch schriller Stimmen wurde vom
Schlagen einer Tür abgeschnitten. Deutlich spürbar lag Anspannung in der Luft. Ich war überrascht gewesen, wie
schnell ich in das Frauenhaus gebeten worden war, ohne
dass mir auch nur eine Frage gestellt worden war. Dann allerdings machte ich mir klar, dass die Frauen die Haustür
wahrscheinlich nicht gerne offen stehen hatten. Ich erinnerte mich an das vernagelte Fenster und daran, dass Jonty gesagt hatte, dass es hier hin und wieder Ärger gebe.
    »Sie möchten ein Bett, nehme ich an?« Die Frau klang
teils resigniert, teils unwillig. Ihr Blick fiel auf die zerknitterte Plastiktüte. »Ist das alles, was Sie bei sich haben? Na ja,
macht nichts, wir haben sowieso nur wenig Platz zum
Verstauen persönlicher Dinge.«

Verlegen erklärte ich, dass ich eigentlich nicht wegen eines Schlafplatzes gekommen sei, sondern lediglich ein paar
Fragen stellen wollte.
    Ihr dünnes Gesicht wurde rot. »Gott im Himmel!«,
fauchte sie. »Wenn Sie eine Story brauchen, dann können
Sie wenigstens zuerst anrufen! Außerdem wollen wir keine
Publicity! Hier kommen sowieso schon viel mehr Frauen
hin, als wir aufnehmen können!«
    Es war das zweite Mal an diesem Tag, dass man mich für
eine Journalistin hielt. Ich erklärte ihr, dass ich nicht von
der Presse sei.
    »Und was wollen Sie dann von uns?« Ihre Geduld
schwand immer schneller.
Ich erzählte meine Geschichte. »Der alte Mann hat gesagt,
er hätte gesehen, wie ein Mädchen ungefähr von hier weggelaufen wäre. Deswegen habe ich überlegt, ob Sie vielleicht
eine ihrer … ihrer …« Ich war nicht sicher, wie ich die Frauen nennen sollte, die hier Zuflucht fanden, deswegen verstummte ich verlegen.
Sie presste die Lippen aufeinander. »Wir reden nicht mit
Außenstehenden über das, was sich hinter diesen Mauern
ereignet. Wir reden nicht über die Verhältnisse unserer
Frauen, wir nennen keine Namen oder sonst etwas, wodurch ihre Identität festgestellt werden könnte. Sie kommen
hierher in dem Glauben, dass all ihre Probleme auf offene
Ohren stoßen und dass sie jemandem vertrauensvoll ihr
Herz ausschütten können.

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