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Granger Ann - Varady - 02

Titel: Granger Ann - Varady - 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denn umsonst ist nur der Tod
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irgendwo draußen rum und stellte sicher, dass wir nicht gestört wurden. Szabo hatte ihn gebeten, die Innenbeleuchtung eingeschaltet zu lassen, sodass wir auch dann noch in
dämmrigem Licht saßen, als die Wagentür geschlossen
wurde. In der so hergestellten behaglichen Intimität betrachteten wir einander.
Ich hatte keine Zeit gefunden, mir vorzustellen, wer da in
dieser schicken Limousine saß. Wenn ich die Zeit gehabt
hätte, hätte ich meilenweit daneben gelegen. Er war ein
kleiner Mann mit einem runden Kopf und einem Kranz
grauer Locken. Sein Gesicht war blass, durchzogen von Sorgenfalten, und seine Augen – ich konnte nicht sagen, ob
blau oder grau – blickten mich besorgt an. Er war ungefähr
so furchteinflößend wie ein Schülerlotse. Ich begann zu verstehen, warum er einen solchen Klotz als Chauffeur beschäftigte. Wenn man selbst keine Muskeln besaß, musste man
sie anheuern.
Szabos Erscheinungsbild wurde zudem dadurch erschüttert, dass seine Kleidung dem Wagen und meinen vagen
Vorstellungen entsprechend zwar kostspielig und modisch
war, aber aussah, als sei sie ihm eine Nummer zu groß. Er
sah in seinem Mantel aus, als säße er in einem Zelt, und sein
Hemdkragen stand vom Hals ab. Irgendetwas an seinem
Aussehen kitzelte mein Gedächtnis, doch ich bekam nicht
zu fassen, an wen oder woran er mich erinnerte, außer an
eine weiße Maus. Der Mantel raschelte, als er sich vorbeugte
und seine Hand aus dem Ärmel auftauchte, klein wie eine
Frauenhand, um die meine zu tätscheln.
»Nur keine Angst, meine Liebe«, versuchte er mich zu beruhigen. Die Berührung war tatsächlich wie die einer Frau,
seine Fingerspitzen waren weich und die Nägel professionell
manikürt. Er zog die Hand rasch wieder zurück, ohne mich
unschicklich lang anzufassen, trotzdem erregte die Geste
und das samtene Gefühl seiner Finger auf meiner Haut
meinen Widerwillen. Der Typ war ein Grapscher. Es gibt die
väterliche Sorte und die richtigen Grapscher, aber im Endeffekt läuft beides auf das Gleiche hinaus. Sie wollen einen mit
ihren ekeligen Pfoten betatschen.
Vielleicht spürte er, dass er einen Fehler begangen hatte.
Er vollführte eine vage, missbilligende Bewegung mit der
fraglichen Hand und zog sie in den sackartigen Mantelärmel
zurück. Dann verschränkte er die Unterarme wie ein chinesischer Mandarin, um zu zeigen, dass er seine Hände unter
Kontrolle hatte. Ich fragte mich, was er sonst noch im Ärmel versteckte, in jeglicher Bedeutung des Wortes.
Drängend sagte er: »Ich kannte Ihren Vater wirklich.«
»Mein Vater ist tot«, erwiderte ich, und es gelang mir,
meine Stimme eisig klingen zu lassen. Ich quetschte mich in
meine Ecke, so weit von ihm entfernt, wie ich konnte, um
ihm zu zeigen, dass ich die Berührung nicht vergessen hatte
und dass die Art und Weise, wie er mit verschränkten Armen wie eine Schwester Oberin dasaß, mich nicht einen
Augenblick lang täuschen konnte.
Ich schätzte ihn auf etwa fünfzig, so alt, wie mein Vater
gewesen wäre, hätte er noch gelebt, oder siebenundvierzig,
um genau zu sein. Obwohl Szabo mich nicht im Geringsten
an meinen Vater erinnerte, der vom Körperbau her eher
stämmig gewesen war, hatte er etwas in seinen Gesichtszügen, das eindeutig mitteleuropäisch war. Szabo war außerdem ein ungarischer Name und ungefähr so verbreitet wie
Smith im Englischen. Ich nahm also an, er könnte tatsächlich die Wahrheit sagen.
»Ich war sehr betroffen, als ich von Bondis Tod erfahren
musste«, fuhr er fort.
Mein Vater hatte mit Vornamen Stephen geheißen, doch
Großmutter Varady hatte ihn immer Bondi genannt. Soweit
ich weiß, war sie die Einzige gewesen, die ihn so nannte –
bis zum heutigen Tag und diesem Mann hier. In diesem
Augenblick wurde mir klar, dass er meinen Vater tatsächlich
gekannt haben musste, auch wenn ich mir nicht vorstellen
konnte woher. Nichtsdestotrotz erklärte ich nun: »Er hat Ihren Namen niemals erwähnt.«
»Warum sollte er auch?« Szabo entfaltete seine Finger
und legte die manikürten Spitzen gegeneinander. Die Ärmel
seines Mantels reichten immer noch bis halb über die
Handflächen. »Wir waren damals noch Jungen. Wir waren,
warten Sie … zehn, elf Jahre alt? Wir waren im Fußballteam
der katholischen Jugend. Wie die Zeit vergeht. Meine Eltern
zogen nach Manchester und nahmen mich mit dorthin. Ich
verlor den Kontakt zu Bondi. Ich habe es mein ganzes Leben
lang bedauert. Wir waren einige Jahre die besten Freunde.
Es war eine

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