Granger Ann - Varady - 02
glückliche Zeit …« Er seufzte.
Ich fragte mich, womit er seine Brötchen verdiente. Was
auch immer geschehen war, seit sie sich aus den Augen verloren hatten, Szabo schien zu Geld gekommen zu sein. Vater nicht. Oder besser, Vater hatte manchmal ziemlich viel
Geld verdient, aber er hatte stets Schwierigkeiten gehabt, es
zusammenzuhalten.
Den Ungarn haftet der Ruf an, gute Geschäftsleute zu
sein, wagemutige Unternehmer, harte Arbeiter mit rascher
Auffassungsgabe, und sie sind normalerweise als Einwanderer überall willkommen. »Ein Ungar«, so sagt ein Sprichwort, »ist ein Mann, der hinter dir eine Drehtür betritt und
sie vor dir wieder verlässt.« Szabo war möglicherweise ein
lebendiges Beispiel für dieses Sprichwort.
Mein Vater war die Ausnahme von der Regel gewesen.
Der Mann, der wahrscheinlich im Drehmechanismus der
Tür stecken geblieben wäre und sich mit ihr gedreht hätte,
immer unterwegs und nie an irgendeinem Ziel.
»Sie fragen sich sicherlich«, sprach Szabo in diesem Augenblick weiter, »wie ich Sie gefunden habe und was ich hier
mache. Sie werden wissen wollen, was ich von Ihnen will.«
»Das tue ich«, räumte ich ein. Das Einzige, was ich mit Sicherheit wusste, war, dass Vincent Szabo nicht hergekommen
war, um mich aufzureißen. Aber vielleicht täuschte ich mich
ja auch. Andererseits verhielt er sich so verdammt höflich
und sah so besorgt aus, so ängstlich darauf bedacht, mir nicht
zu nahe zu treten. Was wollte er nur von mir?
»Selbstverständlich.« Szabo nickte. »Es tut mir Leid, dass
ich keine … keine weniger erschreckende Möglichkeit hatte,
mich Ihnen vorzustellen. Doch nachdem wir das nun hinter
uns haben, sollte ich vielleicht erklären, weswegen ich zu
Ihnen gekommen bin.«
Ich lehnte mich zurück. Ich schätze, ich wäre bereits aus
dem Wagen herausgeklettert und hätte geschrien, wenn der
Chauffeur hinter mir her gewesen wäre. Ich wollte jedoch
hören, was Vincent Szabo, selbst ernannter Jugendfreund
meines Vaters, mir zu sagen hatte. Schließlich hatte der
Mann, wie es aussah, einiges an Schwierigkeiten auf sich genommen, um mich zu finden.
»Sie haben nichts dagegen, wenn wir uns im Wagen unterhalten?«, fragte er. Ich sagte nicht, dass er mir in dieser
Hinsicht gar keine andere Wahl angeboten hatte. Er beobachtete mich besorgt, als würde mein Einverständnis tatsächlich einen Unterschied machen.
»Schießen Sie los«, forderte ich ihn auf.
Schließlich bestand die Chance, dass ich etwas Neues erführe. Es musste einen Grund für all das geben. Darüber hinaus – was man nicht heilen kann, muss man ertragen, wie
Mrs Worran stets zu sagen pflegte, unsere Nachbarin in der
Zeit, als Vater noch gelebt hatte. Ich hatte gehört, wie sie es
zu Großmutter gesagt hatte, nachdem meine Mutter weggelaufen war. Später, als Vater starb, hatte sie es zu mir gesagt.
Irgendetwas an ihrer grimmigen Entschlossenheit, die Dinge
zu nehmen, wie sie kamen, war mir weit schlimmer vorgekommen als bloße Verzweiflung. Ich finde diese Philosophie bis heute eher fatal, aber manchmal, wie zum Beispiel
jetzt, beschrieb sie die Situation einfach perfekt.
»Verstehen Sie mich richtig, ich liebe meine Privatsphäre«, erklärte Szabo. »Ich bin im Grunde genommen ein Familienmensch, wie Sie es nennen würden. Ich mag es nicht,
in der Öffentlichkeit über meine Angelegenheiten zu reden,
und mir behagt die Vorstellung nicht, dass andere in irgendeiner Art und Weise über mich reden könnten, vor
Gott und der Welt. Es bereitet mir Unbehagen. Genauso wie
unser Treffen mir Unbehagen bereitet, weswegen ich mich
auch entschieden habe, es auf diese Weise abzuhalten. Ich
hoffe sehr, Sie verstehen das.«
Ich schwieg. Er hatte eine Pause gemacht, als erwarte er
eine Antwort von mir, und als ich keine gab, rieb er sich die
kleinen Hände und sprach einfach weiter. Die Worte sprudelten staccatoartig in abgehackten Sätzen aus ihm heraus.
»Was ich Ihnen zu sagen habe, ist ausgesprochen prekär.
Meine Liebe, es ist … Ich weiß gar nicht, wie ich anfangen
soll. Über all das reden zu müssen! Und ich sollte, dürfte eigentlich nicht mit Ihnen oder irgendeinem Menschen darüber reden. Doch dann, als ich herausfand, dass Sie Bondis
Tochter sind … ich dachte, dass es vielleicht etwas anderes
ist. Fast, als würde ich mit ihm selbst reden. Er war ein lieber Freund.«
»Bitte entschuldigen Sie«, unterbrach ich ihn. Die ständige Erwähnung von Vaters Namen machte mich ärgerlich.
»Aber
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