Granger Ann - Varady - 02
aggressiv genug, um sie dazu zu bringen, es
der Polizei zu melden. Wenn der Typ sie nie wirklich angesprochen hat, was hätte sie der Polizei sagen sollen?
Vielleicht hat sie auch mit Ihnen nicht darüber gesprochen, weil sie Ihnen keine unnötigen Sorgen machen wollte oder Angst hatte, neurotisch zu klingen. Aber sie hat
vielleicht mit einer Freundin oder einem Freund darüber
geredet.«
Zögern am anderen Ende. »Die Polizei ist dieser Möglichkeit bereits nachgegangen«, sagte er schließlich abweisend.
»Selbstverständlich haben die Beamten mit allen Freunden
von Lauren gesprochen.«
»Ach, die Polizei …«, begann ich und verstummte.
Er taute auf. »Nun ja, Sie haben vielleicht Recht. Ich verstehe. Eine beiläufige Annäherung bringt vielleicht etwas
ans Licht, das bisher übersehen oder dem zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde.«
»Oder das zu peinlich geklungen hätte«, beharrte ich.
»Eine Situation wie diese kann eine Frau in ziemliche Verlegenheit bringen.«
»Wenn Sie das sagen«, distanzierte er sich hörbar wieder
von mir. Vielleicht hatte er eine Verbindung zwischen meinen Worten und seinem eigenen vorsichtigen Umgang mit
der Polizei entdeckt. Ich musste auf der Hut sein, sonst erkannte er vielleicht Parrys Handschrift hinter alledem.
Nicht zum ersten Mal verfluchte ich den Sergeant insgeheim. »Ich habe überlegt, ob Ihre Tochter vielleicht einen
Freund gehabt hat, irgendjemanden in London?«, fragte ich
vorsichtig.
»Ich verstehe nicht, was das mit der Sache zu tun hat.«
Szabos Stimme klang nun eisig. »Sie meinen, wenn ich Sie
recht verstehe, dass Lauren vielleicht mit Jeremy über ihre
Ängste gesprochen haben könnte. Aber Jeremy hätte mir alles in dieser Richtung augenblicklich erzählt. Er weiß, dass
ich Bescheid wissen will, wenn etwas meiner Tochter Verdruss bereitet.«
»Sie hat ihn vielleicht gebeten, den Mund zu halten.«
»Jeremy ist ein äußerst zuverlässiger junger Mann«, entgegnete er, offensichtlich ohne zu bemerken, dass diese Eigenschaft in seinen Augen etwas anderes bedeuten konnte
als in Laurens. »Ich habe keinen Grund, an seinem Urteilsvermögen zu zweifeln. Er ist sehr verliebt in Lauren und
hätte zweifelsohne darauf bestanden, dass sie sich sofort an
die Polizei wendet, wenn auch nur der geringste Verdacht
einer Bedrohung bestanden hätte.«
Ich schwieg. Sollte er selbst nachdenken.
»Also schön«, sagte er zu guter Letzt. »Ich werde ihn anrufen und ihm sagen, dass er mit Ihrem Besuch rechnen
darf. Ich bin willens, jeder Spur zu folgen, die mir meine
Tochter unversehrt und so bald wie möglich zurückbringt.«
Seine Stimme brach, und bebend fuhr er fort: »Sie können
sich nicht vorstellen, was diese Unsicherheit bei uns anrichtet, bei mir und bei Jeremy, wie es ist … Ich werde ihn augenblicklich anrufen.«
»Nein!«, sagte ich hastig. Ich wollte unter keinen Umständen als Szabos Heini bei Jeremy auflaufen. »Machen Sie
das nicht! Es ist viel besser, wenn ich so bei ihm auftauche
und erzähle, dass ich versucht hätte, mit Lauren in Kontakt
zu treten. Dass wir zum Essen verabredet gewesen wären
oder etwas in der Art und dass sie sich nicht gemeldet hätte.
Wie Sie schon sagten, es ist besser, wenn mein Gespräch mit
ihm sich eher beiläufig ergibt.«
Es war wichtig, ihn denken zu lassen, dass es im Grunde
genommen seine eigene Idee gewesen war – und es funktionierte. Obwohl ich damit gerechnet hatte, dass er weiter zögern würde, gab er augenblicklich nach und erklärte sich
ohne Wenn und Aber mit dem Plan einverstanden. Er
nannte mir Jeremys vollen Namen und die Adresse, wo ich
sein Geschäft finden konnte. Es war wirklich kinderleicht,
Szabo zu manipulieren.
Ich verabschiedete mich, legte den Hörer auf und ein
Fünfzig-Pence-Stück neben das Telefon, bedankte mich bei
Daphne und machte mich auf den Weg.
Thais Fine Arts lag in einer schmalen Sackgasse in der Gegend von New Bond Street. Die Gasse sah aus, als wäre sie
ursprünglich nur dazu angelegt worden, einen Hintereingang zu dem Häuserblock zu ermöglichen, damit etwa die
Hausabfälle und dergleichen beseitigt werden konnten. Seit
dieser Zeit war das Gässchen mächtig herausgeputzt worden
und die Mülltonnen verschwunden. Aber es war keine Adresse, auf die man einfach stieß, wenn man nicht wusste,
dass sie existierte. Was wiederum bedeutete, dass Jeremys
Geschäft keine Laufkundschaft anzog. Vielleicht kam nur
Kundschaft, die von anderer Seite empfohlen worden war.
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