Granger Ann - Varady - 02
denn? Als Nacktmodell?«
Was für eine einfache Seele er doch war! Ich beeilte mich,
ihn zu enttäuschen. »Nein. In vollem Kostüm.«
»Was für eine Art von Kostüm?«, fragte er interessiert,
während sein beschränkter Verstand sich wahrscheinlich
barbusige Tussis mit offen stehenden Jeans vorstellte, die bis
fast in den Schritt heruntergeschoben waren.
»Ein Baum«, erläuterte ich ihm. »Es ist ein Symbol. Ich
werde den Amazonas-Regenwald darstellen.«
Er lachte auf und hatte einen ziemlich guten Abgang,
denn er schmetterte mit einem überraschend guten Bariton
irgendein Lied darüber, wie man mit den Bäumen redet.
Ich war restlos bedient, und so ließ ich mir ein Bad ein, um
jegliche Berührung mit dem Gesetz abzuwaschen. Das heiße
Wasser kondensierte am Badezimmerspiegel. Ich schrieb mit
dem Finger ICH HASSE PARRY darauf, sodass ich darüber
meditieren konnte, während ich in der Wanne lag. Doch die
Feuchtigkeit auf dem Spiegel begann herabzulaufen, und
änderte meinen Graffito in ICH HABBE HAPPY. Manchmal funktioniert einfach gar nichts.
KAPITEL 11 Mit einem langen, ausgiebigen
Bad, einem überbackenen Käsesandwich und drei Tassen
Kaffee gelang es mir schließlich, die durch Parrys Anwesenheit verpestete Luft aus meiner Wohnung zu vertreiben. Ein einzelner Sonnenstrahl kam durch das Kellerfenster herein und verriet mir, dass es bereits nach zwei Uhr
mittags war. Mein Gehirn funktionierte wieder, und ich
machte mir nach dem Motto: Wenn ’s beim ersten Mal
nicht klappt, versuch ’s usw. Mut, meine Wohnung noch
einmal zu verlassen und etwas Neues auszuprobieren.
Dank Parry wusste ich nun, dass Lauren einen festen
Freund hatte. Als Erstes musste ich nun herausfinden, ob
Szabo das ebenfalls wusste und wie er über diesen Freund
dachte.
In sauberen Jeans und meiner besten Seidenbluse mit gesteppter Weste darüber rannte ich die Stufen zu Daphnes
Haustür hinauf und läutete.
Sie hatte mich wohl hochlaufen sehen, denn sie öffnete
fast im gleichen Augenblick die Tür. »Alles in Ordnung bei
Ihnen, meine Liebe? Was geht denn da eigentlich vor?«, verlangte sie zu wissen.
»Tut mir Leid wegen der Geschichte vorhin«, meinte ich.
»Nicht nötig, deswegen hochzukommen und sich zu entschuldigen!«, erwiderte sie und fixierte mich mit einem tadelnden Blick. »Wenn das der gleiche Polizist war, der mich
vor ein paar Tagen besucht hat, dann ist er ein ungehobelter
Lümmel!«
»Das ist er«, räumte ich ein, »aber er kann nichts dafür.
Darf ich Ihr Telefon benutzen?«
»Nur zu!« Sie winkte in Richtung des Apparats und
trottet zurück zu ihrem stetig wachsenden Manuskriptstapel. Ich sinnierte einen Augenblick geistesabwesend, woran sie wohl schrieb, es erschien mir aber unhöflich zu fragen.
Ich tippte die Nummer ein, die Szabo mir gegeben hatte,
und nach einigen Sekunden erklang seine hohe, weibliche
Stimme. »Hallo? Wer ist da?«
»Mr Szabo? Ich bin es, Francesca Varady.«
»Haben Sie den tätowierten Mann wieder gesehen?« Seine Stimme bebte vor Ungeduld, und ich stellte mir vor, wie
er dort stand, das Mobiltelefon an das Ohr gedrückt.
Im Hintergrund wurden Geräusche laut, und Szabo
schnappte mit vom Hörer abgewandtem Kopf: »Ja, ja, stellen Sie es dort hin!«
Ich überlegte, dass er wahrscheinlich in einem teuren Hotelzimmer saß und der Zimmerservice gerade etwas geliefert
hatte. Der Mann hatte mir Leid getan, weil er nichts anderes
unternehmen konnte als dazusitzen und zu hoffen und bangen und tatenlos zu warten, doch mein Mitgefühl wurde gedämpft von der Vorstellung, dass er es in allem Komfort tat.
»Sorry, nein«, musste ich ihn enttäuschen. »Ich hab ihn
nicht wieder gesehen. Aber ich habe nachgedacht und frage
mich, ob schon jemand mit Laurens Freundinnen oder
Freunden gesprochen hat.«
»Warum?« Er klang nervös und ein klein wenig verärgert,
dass ich ihm für einen flüchtigen Augenblick falsche Hoffnungen gemacht hatte.
Vorsichtig, um ihn nicht noch weiter gegen mich aufzubringen, trug ich meine Theorie vor. »Angenommen, sie hat
bemerkt, dass sie von irgendjemandem beobachtet oder verfolgt worden ist …«
Er unterbrach mich sogleich. »Sie hätte es mir sofort gesagt, wenn sie sich von jemandem bedrängt gefühlt hätte!«
»Ich dachte nicht an einen Spanner, oder so jemanden.
Vielleicht war es nur ein Gesicht, das ihr aufgefallen ist,
weil es zu häufig aufgetaucht ist, um Zufall zu sein, und
vielleicht hat sie diesen Jemand nicht häufig gesehen oder
er war nicht
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