Granger Ann - Varady - 03
dass sie dort keine Ahnung
hatten, was sie von ihm halten sollten. Ich hätte zu gerne die
Gespräche in der Kantine belauscht.
Ich begegnete seinem Blick und stellte fest, dass er mich
nicht besonders generös musterte. Im Vergleich zu ihm war
mein eigenes Aussehen eindeutig im Hintertreffen. Harfords Blick legte nahe, dass er mich für irgendeine Art von
niederem Geschöpf hielt. Ich war froh, dass ich noch beim
Friseur gewesen war und meine Haare hatte schneiden lassen, doch ich wünschte, ich hätte nicht in meinem Sammelsurium von Flohmarktkleidung vor ihm gestanden. Hätte
ich in einem schicken Kostüm und hochhackigen Schuhen
dort gesessen, hätte ich vielleicht eine Chance gehabt. Doch
wie ich aussah, steckte er mich eindeutig in die Schublade
Gesindel.
»Schön, fangen wir an, in Ordnung?«, sagte er herablassend und nahm ungefragt an Daphnes Küchentisch Platz.
Ich spürte so etwas wie einen Anflug von Mitgefühl für Sergeant Parry.
»Der Kaffee ist kalt«, sagte ich, um die Stimmung ein wenig zu entspannen. Er hatte Daphne und mich auf dem falschen Fuß erwischt. »Ich könnte uns einen frischen kochen.«
»Kaffee ist nicht unsere erste Sorge.« Sein Tonfall rückte
mich ordentlich zurecht. »Ich habe ein paar rasche Worte
mit Sergeant Parry gewechselt und Ihre erste Aussage überflogen, genau wie die von Mr Patel. Trotzdem würde ich die
Geschichte gerne noch einmal von Ihnen hören.«
»Wo soll ich anfangen?«, fragte ich.
»Bei dem Zwischenfall in diesem Zeitungsladen, wo Sie,
wenn ich recht informiert bin, beschäftigt sind.« Aus seinem Mund klang es, als verkaufte ich Potenzmittel und
Pornovideos.
»Es ist ein ganz gewöhnlicher Zeitungskiosk«, sagte ich.
»Und ich arbeite nur vormittags dort.«
Er sagte nichts, sondern saß einfach nur dort und sah fit,
geistesgegenwärtig und unberechenbar aus. Wie ein Polizeihund. Also erzählte ich die ganze Geschichte noch einmal
von vorn, von dem Fremden, der in den Laden gekommen
war und von dem ich inzwischen wusste, dass er Coverdale
geheißen hatte, von dem zweiten Mann, der kurz darauf
aufgetaucht war und sich nach Coverdale erkundigt hatte,
von dem Umschlag, den Hitch und Marco bei den Renovierungsarbeiten im Waschraum unter dem Waschbecken entdeckt hatten, von dem Film, der in dem Umschlag gesteckt
und den ich zum Entwickeln gebracht hatte. Dieser letzte
Teil erwies sich, wie ich geahnt hatte, als der am schwierigsten zu erklärende.
»Warum haben Sie den Film zum Entwickeln gebracht?«,
wollte Harford wissen.
»Weil ich hoffte, es würde etwas darauf zu sehen sein, das
uns verraten könnte, wem er gehört.«
»Aber Sie hatten doch erkannt, dass der Umschlag von
einem Fremden dort versteckt worden war. Warum glaubten Sie, es könnte etwas darauf zu sehen sein, das Sie wiedererkennen würden?«
»Ich vermutete zum damaligen Zeitpunkt – wir vermuteten, heißt das –, dass er dort versteckt worden war. Allerdings wussten wir es nicht mit Sicherheit, und wir wussten
auch nicht, was das für Bilder waren. Sie sahen aus wie Urlaubsschnappschüsse, wenn Sie mich fragen.«
»Warum sollte jemand Urlaubsfotos verstecken?«
»Woher soll ich das wissen? Ich bin schließlich nicht der
Detective, sondern Sie!«, entgegnete ich ein wenig zu vorlaut.
Er erstarrte. Seine blauen Augen bohrten sich in die meinen. »Beantworten Sie lediglich meine Fragen, Miss Varady,
falls es Ihnen nichts ausmacht.«
»Es macht mir aber etwas aus! Ich habe das alles bereits
Sergeant Parry erzählt!« Ich erkannte, dass ich mich gerade
alles andere als vernünftig verhielt, doch sein Verhalten ging
mir gegen den Strich. Seine Worte klangen gerade so, als
unterstellte er, ich würde etwas vor ihm verbergen.
»Erzählen Sie mir von heute Abend.«
Ich erzählte ihm, wie ich den Brief auf meiner Fußmatte
gefunden und eingesteckt hatte und dass er mir erst wieder
eingefallen war, als ich zusammen mit Ganesh im Restaurant gesessen hatte.
»Ah, ja. Ihr Boss, Mr Patel, hat Sie zum Dinner ausgeführt. Tut er das häufiger?«
»Es war das Weihnachtsessen für das Personal«, sagte ich
gepresst. Jetzt war es meine Freundschaft mit Ganesh, die in
seinen Augen etwas Anrüchiges zu haben schien. »Wir waren in einem griechischen Restaurant.«
»War das Essen gut?«, fragte er unvermittelt.
Er schien zu glauben, dass ich unterbelichtet war. »Ich
hatte eine Moussaka, und Ganesh hatte ein Gericht, das
hauptsächlich aus Kichererbsen bestand. Er ist Vegetarier.
Sie
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