Granger Ann - Varady - 03
Doch
hoffentlich nicht Sie? Oder der nette junge Mann aus dem
Zeitungsladen?«
»Nein, weder Ganesh noch ich, und ich brauche auch
keinen Krankenwagen – ich muss die Polizei rufen!«
Ich musste ihr von dem Toten erzählen, es führte kein
Weg daran vorbei. Sie zuckte zusammen, doch sie erholte
sich glücklicherweise rasch wieder. Daphne war eine zähe
Person.
»Sind Sie denn ganz sicher, dass er tot ist, Fran? Sie sind
keine Ärztin. Vielleicht sollten Sie trotz allem einen Krankenwagen rufen?« Sie betastete aufgeregt die Jackentaschen.
»So etwas Albernes, wo ist denn meine andere Brille? Vielleicht sollte ich nach unten kommen und selbst einen Blick
auf den Mann werfen? Ich habe einmal einen Erste-HilfeKursus gemacht, wissen Sie? Ich könnte ihn in die stabile
Bauch-Seiten-Lage bringen. Wir sollten ihn in eine Decke
hüllen, aber er darf nichts trinken.«
All das klang so vernünftig, dass ich für einen Augenblick
selbst anfing zu hoffen, dass Coverdale trotz allem vielleicht
nicht tot war, sondern nur bewusstlos. Doch noch bevor die
Hoffnung Wurzeln fassen konnte, sagte ich mir, dass alles
nur ein verzweifeltes Wunschdenken war, das kaum in Erfüllung gehen würde. Die Bauch-Seiten-Lage, so erklärte ich
Daphne, würde Coverdale nicht mehr helfen. Und er
brauchte auch keine Decke. Er war mausetot, kein Zweifel,
und ich hielt es für keine gute Idee, wenn sie nach unten
käme, um einen Blick auf die Leiche zu werfen. Nichtsdestotrotz rief ich einen Krankenwagen hinzu.
Die Sanitäter bestätigten meine Diagnose nach einem
kurzen Blick auf Coverdale. Oder genau gesagt, ich hörte
wie einer dem anderen zuraunte: »Kein Grund zur Eile, Kollege, der ist schon steif.«
Während der Minuten, in denen wir vor der Tür auf das
Eintreffen des Krankenwagens warteten, war Daphne in der
Küche gewesen und hatte uns mit heißem Tee und Brandy
versorgt. Wir saßen elend an ihrem Küchentisch und vermieden es, uns in die Augen zu sehen, bis Daphne die Gelegenheit nutzte, vielleicht in dem verzweifelten Wunsch zu
reden, sich für etwas zu entschuldigen, für das sie überhaupt
nichts konnte.
»Lassen Sie mich sagen, Fran, meine Liebe, wie unendlich
Leid es mir tut, wie schlecht sich Charlie heute Ihnen gegenüber benommen hat.«
Obwohl ich den Kopf mit anderen Dingen voll hatte, war
ich verblüfft. Hatte Charlie etwa seine amourösen Avancen
vom Abend gestanden? Nein.
»Er hatte kein Recht, zu Ihnen nach unten zu gehen, ohne mir auch nur Bescheid zu geben, und Sie mit einer Inventarliste zu konfrontieren. Er hat es ganz allein aus eigenen Stücken getan, und ich bin sehr ärgerlich über seine Eigenmächtigkeit. Ich habe es ihm gesagt. Es geht ihn absolut
nichts an, und ich hätte es bestimmt nicht erlaubt, hätte ich
vorher gewusst, was er im Schilde führt.«
Sie hatte keine Ahnung, was Charlie sonst noch alles im
Schilde geführt hatte, und er hatte ihr ganz bestimmt nichts
von unserer kleinen Auseinandersetzung in meinem Schlafzimmer erzählt. Er hatte ihr von der Inventarliste erzählt, für
den Fall, dass ich mich bei ihr beschweren würde, weiter
nichts. Er konnte die Episode im Schlafzimmer abstreiten,
doch er konnte nicht abstreiten, dass er in meiner Wohnung
war. Selbstredend, dass er Daphnes Einwilligung nicht eingeholt hatte, im vollen Wissen, dass sie es ihm verboten hätte.
»Mir war klar, dass Sie nichts damit zu tun hatten, Daphne«, antwortete ich denn auch besänftigend. »Sie können
nichts dafür, und Sie müssen sich nicht bei mir entschuldigen, wirklich nicht.«
Nichtsdestotrotz hoffte ich, dass sie den Vorfall in Erinnerung behalten und er ihr beweisen würde, dass Charlie
und Bertie bereits angefangen hatten, das Erbe zu zählen.
Sie musste auf der Hut sein und mit weiteren Tricks der
beiden rechnen.
»Nun, wenigstens wissen wir, wer der arme Schlucker war«,
sagte Detective Sergeant Parry.
Dicht auf den Fersen des Krankenwagens war ein Streifenwagen der Polizei am Ort des Geschehens aufgetaucht.
Kurze Zeit später war das CID eingetroffen, in der Person
von DS Parry, gemeinsam mit einem Polizeiarzt und einem
Haufen von Fotografen.
Ich hatte eigentlich gehofft, dass ich den Sergeant nach
meiner letzten Episode ein für alle Mal gesehen hatte, aber
nein, da war er wieder. Er saß in Daphnes Küche, trank Kaffee und versuchte immer noch erfolglos, sich einen
Schnurrbart wachsen zu lassen. Seine Gesichtshaut war immer noch gerötet von der morgendlichen Rasur, und sein
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