Granger Ann - Varady - 03
eigentlich, was du da machst?«
»Hallo Fran«, sagte sie. »Du warst lange weg, und ich hab
mich gelangweilt. Ich dachte, ich könnte das Geld verdienen, das du für die Blumen ausgegeben hast, aber die Leute
in der Gegend hier sind total geizig, ehrlich. Ich hab nicht
mehr als ein Pfund zusammenbekommen. Wir könnten es
irgendwo anders noch mal versuchen.«
»Wir gehen nach Hause«, informierte ich sie. »Bevor du
es noch fertig bringst, dass man uns beide verhaftet!«
Die beiden Tage vor meiner geplanten Fahrt nach Dorridge
verliefen zu meiner großen Erleichterung ereignislos. Ich
machte Überstunden in Onkel Haris Laden, weil viel los
war, da es allmählich auf die letzten Tage vor Weihnachten
zuging. Wir verkauften jede Menge Grußkarten, Geschenkpapier, Dekorationsmaterial, Pralinenschachteln, all die
Dinge, für die Leute ihr Geld ausgeben, während sie ununterbrochen murren, wie teuer diese Jahreszeit doch ist. Tig
benahm sich ebenfalls, soweit ich das beurteilen konnte. Sie
ging mit Bonnie am Kanal spazieren und begegnete Jo Jo
nicht ein einziges Mal. Mit ein wenig Glück hatte er inzwischen schon ein neues Mädchen gefunden, das für ihn Geld
verdiente. Er war mir nicht vorgekommen wie die Sorte
Mann, die einer Frau lange nachweinte.
Ich ging irgendwann zur Wache und sah mir die Fotos in
den Verbrecheralben an. Zuerst ließen sie mich alleine,
doch nach einer Weil kam Parry hinzu und fragte, ob ich
vielleicht einen Becher Tee wollte. Ich sagte Ja, bitte sehr. Er
brachte mir einen Styroporbecher und drückte sich ein paar
Minuten in meiner Nähe herum, bis ich ihm eröffnete, dass
er mich ablenkte. Danach war ich wieder allein, bis Harford
auftauchte.
»Wie kommen Sie voran, Fran?«, fragte er und nahm neben mir Platz.
Normalerweise hätte ich genauso kurz angebunden reagiert wie bei Parry, doch inzwischen war ich es leid, eine gebrochene Nase, ein Blumenkohlohr und einen schizophrenen Blick nach dem anderen anzusehen, also nutzte ich die
Gelegenheit zu einer Pause und sagte, dass es mir zwar Leid
täte, aber bisher hätte ich nichts gesehen, das auch nur entfernte Ähnlichkeit mit dem Kerl besaß, der in meine Wohnung einzubrechen versucht hatte.
»Versuchen Sie es weiter«, ermunterte er mich. Er rückte
seinen Stuhl ein wenig näher, bis sein Knie fast meines berührte, aber auch nur fast. Hmmm, dachte ich, und was
jetzt?
Er blätterte inzwischen die Seiten für mich um. »Hat er
diesem hier ein wenig ähnlich gesehen? Oder dem dort?
Wissen Sie, ein Jahr oder zwei können einen ganz schönen
Unterschied machen, und einige dieser Verbrecherfotos
sind schon ziemlich alt.« Er beugte sich zu mir. Er roch gut,
nach teurem Aftershave, im Gegensatz zu Parry, der immer
ein wenig nach Schweiß zu riechen schien, starken Zigaretten und Hustenpastillen. Ich wurde nicht schlau aus Harford. Im einen Augenblick zeigte er mir die kalte Schulter
und war herablassend bis zum Gehtnichtmehr, im nächsten
wollte er sich mit mir anfreunden. Ich war bereit, mich mit
ihm anzufreunden, so viel stand fest. Ich war immer bereit,
mich mit irgendjemandem anzufreunden – aber verstehen
Sie mich nicht falsch, ich war nicht auf der Suche nach einer
Schulter, an die ich mich lehnen konnte, und ich weiß gerne, woran ich mit den Menschen bin. Es war leichter, wenn
Harford bei seiner arroganten Art bleiben würde. Im Augenblick spielte er das »Guter Polizist, böser Polizist« Szenario, alles in einer Person. Ich fragte mich, ob er vielleicht
Gefallen daran fand.
Ich sagte ihm, dass ich mich ja wirklich bemühte, und wir
blätterten gemeinsam durch die Kartei. Parry tauchte irgendwann wieder auf, und als er sah, wie wir die Köpfe zusammensteckten, bedachte er uns mit eigenartigen Blicken.
»Ja, Sergeant?«, erkundigte sich Harford forsch und sah zu
ihm auf.
»Ich wollte nur sehen, wie Mrs Varady vorankommt, Sir«,
sagte Parry mit einem vielsagenden Blick. Seiner Meinung
nach machte Harford offensichtlich Fortschritte, wenngleich
nicht unbedingt mit der Verbrecherkartei. »Alles in Ordnung,
Fran?«
»Alles in Ordnung, danke sehr«, antwortete Harford für
mich. Parry musterte mich mit einem tadelnden Blick und
verzog sich wieder.
Ich fragte mich vage, ob Harfords Hand irgendwann
mein Knie streifen würde, doch er besaß mehr Stil als Parry
– vielleicht hatte ihn die Störung durch den Sergeant auch
von seinem Versuch abgebracht. Wir blätterten wortlos und
ohne jede Spur von Annäherungsversuch bis zum
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