Granger Ann - Varady - 03
Ende des
Bandes weiter.
»Nein«, sagte ich. »Auch wenn manche Bilder alt sein
mögen, keiner von denen hat auch nur die geringste Ähnlichkeit mit dem Kerl. Er ist nicht dabei.«
Irgendwie überraschte mich das nicht, und ich konnte
sehen, dass es Harford nicht anders ging. Er klappte resigniert das Buch zu.
»Falls es sich um einen Ausländer handelt«, sagte er,
»dann ist er vielleicht erst vor ein paar Wochen in England
angekommen. Ja, wahrscheinlich ist es das.«
Ich fragte ihn, wieso er sich dessen so sicher sein konnte.
Er antwortete ausweichend. Der Mann hätte offensichtlich
noch nicht genügend Zeit gehabt, mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen.
»Nicht aktenkundig«, sagte er, und aus seinem Mund
klang der Polizeijargon eigenartig unsicher.
»Nun, ich habe meine Pflicht als guter Bürger jedenfalls
erfüllt«, sagte ich und erhob mich von meinem Stuhl.
»Ich fahre Sie nach Hause«, erbot er sich. Fast hätte ich
angenommen, doch dann fiel mir Tig ein, die in der Wohnung auf mich wartete. Wenn ich schon wieder mit einem
Bullen im Schlepptau auftauchte, würde sie wahrscheinlich
ausflippen. »Danke«, sagte ich, »aber ich gehe zu Fuß. Ich
muss noch ein paar Einkäufe erledigen.«
Ich bildete mir ein, dass er ein wenig enttäuscht aussah,
aber vielleicht war es tatsächlich nicht mehr als Einbildung.
Der Sonntagmorgen kam, und zusammen mit Tig ging ich
nach Marylebone, um in den Zug nach Dorridge zu steigen.
Es war früh am Morgen und kaum eine Menschenseele unterwegs. Der Anblick von Marylebone erweckte Erinnerungen in mir, und ich sah mich unwillkürlich suchend um.
»Wonach suchst du?«, fragte Tig misstrauisch wie eh und je.
»Nach jemandem, der bestimmt nicht mehr hier ist. Ich
hab hier mal einen alten Tippelbruder kennen gelernt, Albie
Smith nannte er sich. Ich musste gerade an ihn denken, das
ist alles.«
Tig war nicht an meiner Vergangenheit interessiert. Sie
deutete auf die neue computerisierte Fahrplantafel mit den
Ankunfts- und Abfahrtszeiten, die bei meinem letzten Besuch noch nicht dort gehangen hatte, und nannte die Bahnsteignummer, die neben meinem Zug aufgetaucht war.
»Er läuft gerade ein. Du gehst besser gleich auf den Bahnsteig.«
Ich weiß nicht, warum sie mich plötzlich so drängte. Zu
dieser frühen Stunde und noch dazu am Sonntagmorgen
war der Zug ganz bestimmt nicht voll.
»Mach mich nicht zum Narren, Tig«, sagte ich zu ihr.
»Sei hier, wenn ich zurückkomme.«
»Versprochen«, antwortete sie, und Bonnie, die an einer
kurzen Leine zu Tigs Füßen saß, bellte bekräftigend. Der
Zug setzte sich in Bewegung, und sie winkte mir hinterher.
Mir blieb nichts anderes übrig, als ihr zu vertrauen.
Ich setzte mich zurück und sinnierte, dass Bonnie wohl
bei mir bleiben würde, selbst wenn es mir gelang, Tigs
Rückkehr zu ihren Eltern zu arrangieren. Tig hatte erklärt,
dass sie den Hund nicht mitnehmen konnte. Trotzdem, es
war immerhin ein Anfang, die Verantwortung für Tig loszuwerden.
Es war eine lange Reise, die zum großen Teil durch eine
schöne Landschaft ging, doch mein Kopf war zu voll mit
dem bevorstehenden Treffen mit den Quayles. Falls Ganesh
Recht hatte, würde mich ein Empfangskomitee am Bahnhof
abholen, wahrscheinlich einschließlich Anwalt und einem
Friedensrichter, der rein zufällig ein guter Freund der Familie war. Nach Ganeshs Worten durfte ich nicht überrascht
sein, wenn ich mich einer mobilen Sondereinheit der Polizei
in schusssicheren Westen und mit Maschinenpistolen gegenübersah.
Tig hatte mir genaue Instruktionen gegeben, wie ich das
Haus ihrer Eltern finden konnte. Die Gegend selbst hatte sie
nicht beschrieben, doch ich konnte mir denken, dass es dort
so ähnlich aussah wie in der Shaker Lane in Putney, und so
war ich nicht überrascht, als es tatsächlich so war. Das Haus
stammte aus den dreißiger Jahren, besaß Erkerfenster, und
der Vorgarten sah selbst jetzt, mitten im Winter, gepflegt
und sauber aus. In der Auffahrt standen mehrere Wagen,
ausnahmslos poliert und neue Modelle. Ich fühlte mich fehl
am Platz, und meine Nervosität stieg mit jedem Schritt.
Nachdem ich die Fahrkarte gekauft hatte, war von Tigs Geld
nicht mehr viel übrig gewesen, und mein Honorar war verschwindend gering. Es war mehr als sauer verdient, so viel
wusste ich schon jetzt.
Ich näherte mich der verglasten Eingangshalle und betätigte die Türglocke. Die Haustür auf der gegenüberliegenden Seite wurde fast im gleichen Augenblick geöffnet.
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