Granger Ann - Varady - 03
tatsächlich?«, entgegnete er streitlustig. Er setzte sich
in den mir gegenüber stehenden Sessel und starrte auf das
Kaffeetablett.
»Warte, ich hole dir nur schnell eine Tasse!«, rief seine
Frau und rannte erneut in die Küche. Es war ein verräterischer Augenblick. Ein Augenblick, der zumindest mir eine
ganze Menge verriet.
Er legte die Hände auf die Armlehnen, und ich fragte
mich, ob die Schoner vielleicht deswegen auf den Lehnen
lagen, weil es seine Angewohnheit war. Seine Hände waren,
wie ich bemerkte, groß und grobschlächtig, darüber täuschte auch die gepflegte Maniküre nicht hinweg. Ich schloss,
dass er sich allein deswegen für den Landadelstil entschieden hatte, weil er seinem Körperbau und Auftreten schmeichelte. Meine Fantasie begann zu wandern, wie es häufig der
Fall ist, und ich fragte mich, wie er wohl aussah, wenn er zusammen mit seiner Frau zu einem offiziellen Empfang marschierte und in einem Smoking herumlaufen musste. Wahrscheinlich wie ein Rausschmeißer. Die Vorstellung gefiel
mir, und ich ließ mich zu einem Lächeln hinreißen.
Er interpretierte es völlig falsch.
»Nachdem meine Frau aus dem Zimmer ist, lassen Sie
mich Ihnen eine direkte Frage stellen«, begann er unverhohlen. »Ich möchte eine offene Antwort. Welche Rolle spielen
Sie bei dieser Geschichte? Falls Sie glauben, dass ich Ihnen
Geld zahlen werde, dann vergessen Sie das lieber gleich. Sie
müssen nicht hier rumsitzen und selbstgefällig grinsen, klar?
Sie werden feststellen, dass man mich nicht so einfach aufs
Kreuz legt, und ich lasse mir keinen Honig um den Bart
schmieren.«
Ja, er war ein widerlicher Zeitgenosse, und Ganesh hatte
Recht gehabt. Er gehörte zu der Sorte, die alles mit Geld
aufwiegen, und er ging davon aus, dass alle anderen es genauso machten. Für ihn war Erfolg an finanzieller Entlohnung messbar. Dieses Haus und sein Inhalt waren der Beweis dafür, genau wie seine gut gekleidete Frau und – bis
vor vielleicht zwei Jahren – seine hübsche Tochter, die er auf
eine Privatschule und in den Ballettunterricht gesteckt hatte.
Allein diese materiellen Dinge, die andere Leute sehen und
bewundern konnten, allein diese Dinge zählten für ihn.
Schockiert wurde mir bewusst, wie wütend Tigs Weglaufen ihn wahrscheinlich gemacht haben musste. Seine Erfolgsblase war geplatzt, und sein Wohlstand war zurückgewiesen worden. Seine Tochter hatte ein Gott weiß wie erbärmliches Leben auf der Straße diesem hier vorgezogen.
Konnte er ihr das jemals verzeihen? Ich hatte ernste Zweifel.
»Ich will Ihr Geld nicht!«, sagte ich scharf. »Jane hat mich
gebeten herzukommen. Ich tue das aus reiner Gefälligkeit
für sie.«
Sein Verstand arbeitete genauso wie der seiner Frau. »Sie
braucht niemanden, der für sie redet! Sie kann jederzeit den
Telefonhörer zur Hand nehmen und anrufen! Sie weiß, wo
wir wohnen. Ich bin nicht überzeugt, dass Sie das sind, wofür Sie sich ausgeben. Ich bin nicht mal sicher, ob meine
Tochter Sie tatsächlich geschickt hat. Warum um alles in
der Welt sollte sie so etwas tun? Sie musste nur anrufen,
weiter nichts!«, wiederholte er halsstarrig.
Seine Frau kam zurück. Sie trug eine Tasse und eine kleine Extra-Kanne mit frischem Kaffee. Sie stellte beides klappernd auf das Tablett und setzte sich auf einen freien Sessel,
um sogleich ihren Rock glatt zu streichen.
Die Bewegung lenkte meine Aufmerksamkeit auf ihre manikürten Hände. Selbst Diamantringe und Nagellack können
nicht gänzlich über braune Leberflecke und schlaffe Haut
hinwegtäuschen. Ich überlegte kurz, ob sie möglicherweise älter war als ihr Ehemann und ob all diese Sorgfalt mit ihrem
Make-up und äußeren Erscheinungsbild allein dazu dienen
sollte, das Unausweichliche hinauszuzögern, den Tag, an dem
er sie ansehen und zu dem Schluss kommen würde, dass sie
nicht länger repräsentabel genug für ihn war. Dass es an der
Zeit war, sie gegen etwas Neues einzutauschen, wie er es mit
seinem Wagen machte. Sie musterte mich mit nervösen Blicken. Obwohl sie nun zu ihm redete, sah sie ihn nicht an.
»Fran hat mir versichert, dass Jane kein Baby hat oder bekommt.« In ihrer Stimme schwang Erleichterung mit, aber
auch eine Spur von Triumph, als hätten sie wieder und wieder
über diesen Punkt gestritten, als hätte sie immer wieder diese
Möglichkeit abgestritten, während er darauf beharrt hatte. Sie
wagte nicht »Ich hab’s dir doch gesagt« zu sagen, doch sie
konnte ihr Triumphgefühl auch nicht gänzlich
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