Granger Ann - Varady - 03
Er musste von Tag zu Tag nervöser und
ärgerlicher werden – und sehr, sehr besorgt. Früher oder
später, so schätzte die Polizei offensichtlich, würde er aus
seinem Versteck auftauchen, um die Sache selbst in die
Hand zu nehmen. Das war es, worauf sie so geduldig warteten. Das war der Grund, aus dem sie der Öffentlichkeit nicht
mitteilten, dass sie die Negative in Besitz hatten. Sie waren
sicher, dass Grice sich rühren und auftauchen würde. Sie
zwangen ihn dazu, aktiv zu werden.
Es war nicht weiter schwierig für einen Mann wie Grice.
Bei all dem Geld, das er besaß, konnte er sich leicht einen
falschen Pass besorgen, in jeder beliebigen Nationalität. Er
konnte sich ein privates Flugzeug chartern, das ihn auf irgendeinem verlassenen Feldflugplatz absetzte. Verdammt,
wenn die SOE ihre Agenten während des letzten Krieges
nach Belieben in das von den Nazis besetzte Europa bringen
und dort auch wieder abholen konnte, dann konnte ein
Schwerverbrecher wie Grice sich einen Tag in England kaufen, wann immer er wollte. Er hatte es wahrscheinlich schon
Dutzende Male vorher getan und den Detectives der britischen Polizei und einem halben Dutzend anderer Behörden
eine lange Nase gemacht.
Warum also war es nach Meinung der Polizisten diesmal
so anders? Wieso war die Polizei so verdammt sicher, dass
dies ihre große Chance war, ihn zu erwischen? Teilweise, so
vermutete ich, weil sie diesmal ungefähr wussten, wann sie
ihn zu erwarten und weil sie ein ganzes Netz von Informanten auf ihn angesetzt hatten. Aber hauptsächlich deswegen,
weil sie diesmal wussten, mit wem sich Grice in Verbindung
setzen würde. Nämlich mit mir.
Der Zug schaukelte sanft, als er in den Tunnel unmittelbar vor der Marylebone Station einfuhr und mich aus meinen Gedanken riss. Ich hatte die ganze Fahrt in tiefen Gedanken verbracht. Ich rollte das Magazin sorgfältig zusammen und machte mich auf den Weg nach Hause. Die Frage
war, sollte ich Ganesh von meiner Entdeckung berichten
oder nicht? Im Großen und Ganzen sagte mir mein Instinkt,
dass es besser war, den Mund zu halten. Andererseits konnte es nie schaden, eine kleine Rückversicherung in der Tasche zu haben. Solange nur eine Person davon weiß (beispielsweise Coverdale), kann man sie leicht ausschalten. Je
mehr Leute es wissen, desto schwieriger wird es.
Es wurde bereits dunkel, als ich vor dem Haus ankam.
Mein Kellerfenster lag im Dunkeln, doch irgendjemand
leuchtete mit einer Taschenlampe unten am Fuß der Treppe
umher, und ich hörte aufgeregtes Stimmengewirr. Und
dumpfes, wütendes Gebell.
»Sie muss aber zu Hause sein, Charles, ich bin ganz sicher!
Zumindest ist der verdammte Köter da. Los, läute noch
mal!«
Ich beugte mich über das Geländer. Bertie und Charlie
hatten offensichtlich von dem versuchten Einbruch erfahren
und sich entschlossen, mir deswegen Vorhaltungen zu machen. Einer der beiden hielt eine Taschenlampe und leuchtete damit durchs Fenster in dem Versuch, in die Wohnung
zu sehen. Der andere kniete vor der Tür und spähte durch
den Briefkastenschlitz. Ich spielte kurz mit dem Gedanken,
die Polizei zu rufen oder auf die andere Straßenseite zu unserem fanatischen Nachbarschaftswächter zu laufen und
Randalierer zu melden. Es war ein netter Gedanke, doch
andererseits brauchte ich nicht noch mehr Ärger mit dem
Duo, als ich ohnehin bereits hatte.
»Was um alles in der Welt machen Sie dort?«, fragte ich
würdevoll.
Beide sahen aus wie auf frischer Tat ertappt. Der bei der
Tür sprang auf wie von einer Tarantel gestochen, und der
am Fenster wirbelte herum und leuchtete mir mit der Taschenlampe ins Gesicht.
Ich schirmte meine Augen mit einer Hand ab und
schnappte: »Machen Sie sofort dieses Ding aus!«
Zu meinem nicht gelinden Erstaunen gehorchte er. Während ich noch den Vorteil der Überraschung auf meiner Seite hatte, fügte ich hinzu: »Und kommen Sie hierher zu mir,
wenn Sie mit mir reden möchten. Ich komme nicht zu Ihnen hinunter.«
Sie tuschelten kurz, dann kamen sie die Treppe hoch und
standen schließlich vor mir auf dem Bürgersteig. Im Licht
der Straßenlaterne konnte ich sehen, dass der mit der Taschenlampe Bertie war. Er bemühte sich, die Lampe in eine
mitgeführte alte Aktentasche zu stopfen, als wäre sie plötzlich rot glühend.
»Wir möchten mit Ihnen reden«, sagte Charlie, der sich
als Erster von dem Schreck erholte.
»Dann schießen Sie los«, sagte ich. »Aber verschwenden
Sie nicht meine Zeit!«
»Hören Sie!«,
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