Granger Ann - Varady - 04
rüber
zu den Wildes. Oh, geben Sie mir doch kurz Ihren Stiefel –
den mit dem gerissenen Schnürsenkel.«
Ich schlüpfte aus dem Stiefel und tat wie geheißen.
Schmutzig, nass, alt, abgetragen – er sah aus wie eines von
jenen Exemplaren, die man am Kanalufer findet, immer nur
einen, nie ein Paar. Ich trug blaue Socken mit weißen Punkten darauf, doch der Regen und das Wasser vom Bürgersteig
hatten sie grau gemacht. Ich hoffte nur, dass Josh der Barmann nichts von alledem bemerkte.
Ben zog den gerissenen Schnürsenkel ganz heraus und
fädelte das Stück Schnur aus seiner Tasche durch die Ösen.
»Nicht schick, aber damit kommen Sie wenigstens bis nach
Hause, ohne ständig zu humpeln.«
Ich bedankte mich. Er sagte, er würde Jerry meine Botschaft überbringen und darauf achten, dass Flora nichts davon mitbekam. Dann war er verschwunden. Ich schnürte
den Stiefel an meinen Knöchel und beendete meine Mahlzeit. Als ich ging, verfolgte der Barmann mich mit einem
hochnäsigen Blick, aus dem eindeutig hervorging, dass er
glaubte, ich hätte dem armen Ben irgendeine Geschichte
aufgebunden, um mir eine Mahlzeit zu erschnorren. Ich rief
ihm ein fröhliches Auf Wiedersehen zu und winkte, als wäre
ich ein Stammgast, um ihn noch ein wenig mehr zu ärgern.
Ich hatte gewusst, dass das Herumsitzen im Regen mir nicht
gut tun würde, obwohl ich normalerweise ziemlich robust
bin, ganz gleich, wie schlecht das Wetter sein mag. Schließlich habe ich auch in Haris Garage keine Zentralheizung,
genau wie in den meisten besetzten Häusern, in denen ich
bis heute gewohnt habe, und war es gewöhnt, im Winter in
meinen Sachen zu schlafen. Doch diesmal hatte es mich
wirklich erwischt.
Ich schlief sehr schlecht und warf mich auf meinem
schmalen Bett hin und her, sodass ich einmal fast herausgefallen wäre. Bonnie hatte die Nase von meiner ständigen
Unruhe bald so voll, dass sie vom Bett sprang und sich
daneben zusammenrollte. Ich hatte einen merkwürdigen
Traum. Ich ging die Auffahrt zum Hospiz in Egham hinauf,
doch bevor ich den Eingang erreichte, sah ich Flora Wilde,
die auf mich wartete. Sie war nicht böse, sondern lächelte
freundlich. Sie streckte mir die Hand hin, und ich hätte sie
fast ergriffen, doch dann erschien eine Frau, die ich nicht
kannte. Ihre Umrisse waren undeutlich, und ich konnte ihr
Gesicht nicht sehen. Wer auch immer es war, Flora hörte
auf zu lächeln und wirkte erregt. Als sie sich wieder zu mir
umwandte, war ihre Freundlichkeit verschwunden. »Sie
sind schuld an alledem!«, sagte sie anklagend. Ich wollte es
gerade abstreiten, als ich zum x-ten Mal aufwachte, frierend
und nass geschwitzt zugleich. Im ersten Augenblick wusste
ich nicht, wo ich war, bis Bonnie die Nase gegen meine
Handfläche drückte. Ich schaltete das Licht ein und machte
mir einen Kaffee auf meinem kleinen Calor Campingkocher, während ich mir immer wieder sagte, dass ich nicht
krank werden durfte. Ich glaube fest daran, dass der Geist
über die Materie siegt. Ich wünschte nur, ich hätte mich
nicht so verdammt elend gefühlt.
Kurz nach sechs trottete ich über den Hof zum Laden
und fragte Ganesh, ob er vielleicht ein Paracetamol für mich
hätte.
»Du siehst aus wie der Tod«, sagte er mitfühlend.
Heiser informierte ich ihn, dass ich mich ausgezeichnet
fühlte und nur ein wenig Kopfschmerzen hätte.
»Herrgott noch mal, Fran, geh nach oben und nimm ein
heißes Bad!«, schimpfte Ganesh. »Sag Hari, er soll dir ein
gescheites Frühstück machen!« Er drückte mir eine Packung
Paracetamol in die Hand. »Nimm nicht mehr als zwei Stück
innerhalb von vierundzwanzig Stunden, okay?«
»Danke sehr, Dr. Quincy«, krächzte ich.
Ich hatte überhaupt keinen Appetit auf Essen, doch das
heiße Bad klang nach einer ziemlich guten Idee. Ich ging
nach oben, wo Hari mich ebenfalls informierte, dass ich
ziemlich krank aussähe, und vorschlug, dass ich zu einem
Arzt gehen sollte.
»Ich bin nur ein wenig erkältet«, versicherte ich ihm.
Er entgegnete, dass man mit Erkältungen nicht scherzen
dürfe. Sie könnten sich in etwas Schlimmeres verwandeln,
bevor man sich’s versah. Er zählte eine Reihe unterschiedlicher Krankheiten auf, die alle mit erkältungsähnlichen
Symptomen anfingen. Er fragte, ob ich Flecken hätte.
Ich sagte ihm, dass ich keine gesehen hätte, doch ich würde
im Bad noch einmal nachsehen. Falls ich welche fände, meinte er, sollte ich ein Glas darüber rollen, und wenn sie unter
dem Druck des Glases
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