Granger Ann - Varady - 04
arme Nicola«, sagte ich schließlich. »Es wird
ein verdammter Schock für sie. Was werden sie tun? Ich
meine die Polizei, die Behörden, der ganze Rest. Werden sie
Nicola ihren Eltern wegnehmen und sie in ein Heim geben?
Sie würde es hassen. Sie hat in ihrem Leben noch niemals
kämpfen müssen. Die anderen Kinder im Heim würden sie
bei lebendigem Leib auffressen.«
»Niemand wird sie in ein Heim stecken«, tröstete mich
Ganesh. »Sie lebt seit dreizehn Jahren bei den Wildes, und
sag nicht, dass sie sich keine guten Anwälte leisten können.«
»Die werden sie auch brauchen, wenn sie wegen Doppelmordes angeklagt werden. Wer soll sich denn um Nicola
kümmern, wenn ihre Eltern im Gefängnis sitzen?« Ich warf
verzweifelt die Hände in die Höhe. »Das war es also. Ich
kann nichts mehr tun. Ich muss stillsitzen und darauf warten, dass das Schicksal seinen Lauf nimmt. Ich wünschte, ich
hätte nicht dieses Gefühl, dass alles nur meine Schuld ist!«
»Es ist nicht deine Schuld, Fran. Duke hat ebenfalls rumgeschnüffelt. Duke hat die Polizei zu Mrs Marks geführt,
nicht du.«
»Trotzdem«, sagte ich. »Ich schwöre dir, Gan, es war das
letzte Mal, dass ich wegen irgendetwas Nachforschungen angestellt habe.«
»Das glaubst du doch selbst nicht …«, sagte Ganesh und
grinste traurig.
Es fällt mir schwer, es heute zu begreifen, und ich kann
meine Entscheidung nur meiner Niedergeschlagenheit zuschieben, aber es war an diesem Punkt, dass ich mich entschloss, Normans Angebot anzunehmen und in das Zimmer
einzuziehen – wenn auch nur vorübergehend. Ich hatte Ganeshs Onkel schon viel zu viele Scherereien gemacht. Wenn
der Sturm erst über Nicola losbrach, würde es noch schlimmer werden. Ich musste raus aus der Garage. Ich trottete zu
Normans Haus, um mit ihm zu reden.
»So so«, sagte er gespielt geziert. »Ich wollte es gerade jemand anderem vermieten, aber weil du es bist, überlasse ich
das Zimmer dir.«
»Ich möchte nicht, dass du wegen mir eine Abmachung
brichst oder so«, sagte ich hastig und versuchte einen
schnellen Rückzieher.
»Nein, nein.« Er hob eine mit Druckerschwärze beschmutzte Hand. »Ich hab von Anfang an gesagt, dass du
das Zimmer haben kannst, wenn du es brauchst. Ich stehe
zu meinem Wort.«
»Norman«, fragte ich. »Hast du inzwischen etwas wegen
einem Rauchmelder unternommen?«
Er blickte ausweichend zu Boden und murmelte, dass er
noch am Überlegen wäre. Genau, dachte ich. Sobald ich erst
hier eingezogen bin, wird meine erste gute Tat ein Rauchmelder in meinem eigenen Zimmer sein. Norman fragte, ob
ich das Zimmer noch einmal sehen wollte, doch ich lehnte
dankend ab. Wenn ich einen weiteren Blick in dieses Loch
werfen würde, bevor ich einzog, würde ich wieder kneifen.
Ich kratzte die Miete für die erste Woche aus meinen
schmalen Ersparnissen zusammen, dann trottete ich runter
zum Wohnungsamt, um meine geänderten Verhältnisse zu
melden und Wohngeldzuschuss zu beantragen. Ich füllte das
Formular aus und erhielt die Auskunft, dass es eine Weile
dauern könnte, bis der Antrag bearbeitet wäre, und dass ich
mir selbst im Erfolgsfall darüber klar sein müsste, dass ich
nur das erhalten würde, was von Amts wegen als »angemessen« erschien. Die Differenz müsste ich aus meiner eigenen
Tasche zuschießen, und man würde außerdem berücksichtigen, ob meine Unterkunft passend wäre. Ich versicherte, dass
sie ganz gewiss weder zu groß noch zu luxuriös war, ganz im
Gegenteil. Sie schürzten dennoch die Lippen angesichts des
Betrags, den Norman von mir verlangte, und blickten zweifelnd drein. »Wir lassen Ihnen den Bescheid zukommen.«
Ich fragte, wie ich denn ihrer Meinung nach bis dahin die
Miete zahlen sollte. Ich glaubte nicht, dass Norman sich unendlich gedulden würde, wenn ich nicht bald mit der Mietzahlung anfing.
»Leider hat es in der Vergangenheit häufig Missbrauch
gegeben«, erhielt ich zur Antwort. »Deswegen überprüfen
wir heute jeden Zuschuss gewissenhaft.«
Ich erkundigte mich, ob mein Mietzuschuss denn rückdatiert würde, falls der Bescheid positiv ausfiele und ich bezuschusst würde.
Sie lächelten mitleidig. »Nur im Falle außergewöhnlicher
Umstände«, sagten sie. »Im Allgemeinen leider nicht, nein.«
Ich schätzte, dass meine Umstände nicht außergewöhnlich genug waren. Ich gehörte definitiv zu der Kategorie »Im
Allgemeinen«. Nun ja, dann musste ich Norman eben in
den nächsten Wochen aus der eigenen Tasche
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