Granger Ann - Varady - 04
herausgefunden haben, was Ben für seine Frau
empfand.
Also waren Flora und Ben meiner Meinung nach die Killer. Sie hatten die Verbrechen gemeinschaftlich begangen.
Doch Morgan sah das offensichtlich anders. Diskutierte ich
deswegen mit ihr? Nein. Cornish würde seine geliebte Flora
niemals belasten. Und selbst wenn er es tat, was höchst unwahrscheinlich war, konnte die Polizei nichts beweisen. Es
waren bereits genug Leben ruiniert. Das Wichtigste war nun
zu versuchen, etwas für Nicola aus diesem elenden Scherbenhaufen zu retten. Sie musste mit der Information zurechtkommen, dass ihre »Eltern« nicht ihre Eltern waren. Herauszufinden, dass ihre Mutter darüber hinaus eine Mörderin
war, bedeutete, sie ein zweites Mal zu verlieren.
»Wenn Sie nicht vorhaben, Anklage gegen mich zu erheben«, sagte ich zu Inspector Morgan, »kann ich dann jetzt
gehen? Ich möchte meine Mutter besuchen.«
Sie ließen mich gehen. Cole eher zögerlich. Morgan begleitete mich bis zum Ausgang.
»Eine Menge Leute sind sehr unglücklich über Ihre Rolle
in dieser Geschichte, Fran«, sagte sie. »Es ist mir gelungen,
die Sache noch einmal zu Ihren Gunsten herumzubiegen,
aber enttäuschen Sie mich nicht. Sie sind aktenkundig. Sie
wissen, was das bedeutet. Halten Sie sich von nun an aus
Scherereien heraus, bitte.«
Ich versprach ihr, mein Bestes zu geben. »Ich weiß zu
schätzen, was Sie für mich getan haben«, sagte ich. »Auch
wenn ich immer noch nicht glaube, dass die Cops zu schätzen wissen, was ich für sie getan habe.« Ich musterte ihr
dunkelgraues Kostüm. »Vielleicht könnten Sie auf Ihrer
Pressekonferenz die Hilfe einer Schauspielerin erwähnen,
die Gemeinsinn hat und gegenwärtig ohne Engagement ist.«
»Treiben Sie es nicht auf die Spitze, Fran«, entgegnete sie.
»Je weniger Ihr Name im Augenblick erwähnt wird, desto
besser, glauben Sie mir.«
Mit diesen Worten wandte sie sich ab und trottete zu ihren fünfzehn Minuten öffentlichen Ruhmes. Ich trottete zur
Waterloo Station, um in den Zug nach Egham zu steigen.
Der Nachmittag war bereits fortgeschritten, und die ersten
Pendler machten sich auf den Heimweg, daher war Waterloo ziemlich voll. Die Fahrt nach Egham war beengt und
ungemütlich. Die Anspannung darüber, was ich vorfinden
würde, wenn ich im Hospiz angekommen war, machte die
Dinge noch schlimmer.
Meiner Mutter war es im Verlauf meiner letzten Besuche
unübersehbar immer schlechter gegangen. Ich hatte mir den
Kopf zermartert, ob ich ihr verraten sollte, dass das Geheimnis ans Licht gekommen war, oder nicht. Doch weil es
ziemlich wahrscheinlich erschien, dass sich entweder die
Polizei oder Sozialarbeiter bei ihr melden würden, musste
ich sie irgendwie warnen.
Sie nahm es ziemlich gefasst auf, wenn man die Umstände bedachte. »Ich nehme an, es musste irgendwann herauskommen«, sagte sie verdrießlich. »Es ist wirklich zu ärgerlich. Es war so ein gutes Arrangement. Warum müssen sich
immer irgendwelche Leute einmischen? Sie werden Miranda
doch wohl den Wildes nicht wegnehmen, oder? Nicht nach
all den Jahren?«
Ich sagte ihr, dass ich es für unwahrscheinlich hielt, nicht,
weil ich es glaubte, sondern weil es das war, was Mutter hören wollte. Ich sagte nicht, dass ich eine der Personen gewesen war, die sich eingemischt hatten – auf ihre Weisung hin.
Sie schien immer noch nicht glauben zu wollen, dass sie
selbst und die Wildes es ursprünglich gewesen waren, die
die Situation überhaupt erst geschaffen hatten. Stattdessen
versteifte sie sich darauf, Rennie Duke die Schuld zu geben.
»Rennie konnte sich noch nie aus etwas heraushalten«,
brummte sie. »Ich habe ihm nichts erzählt, Fran, ehrlich
nicht! Ich weiß nicht, wie er dahintergekommen ist, absolut
nicht. Aber so war Rennie eben.«
Ich hatte die ein oder andere Idee, doch die behielt ich
zusammen mit allem anderen für mich. Zum Ersten war da
der Brief meiner Mutter, von dem ich, wie ich Ihnen schon
früher erzählt habe, vermutete, dass es Rennie irgendwie gelungen war, ihn zu lesen. Doch vielleicht waren die Dinge
schon viel früher schief gegangen. Vielleicht waren sie schon
schief gegangen, als sie Rennie angerufen und gebeten hatte,
mich zu suchen, damit ich im Gegenzug Miranda-Nicola
für sie suchen konnte.
Selbstverständlich hatte sie Rennie Duke gegenüber Miranda nicht erwähnt. Andererseits war sie bereits sehr krank
gewesen, als sie mit ihm geredet hatte, und sie hatte unter
dem Einfluss von Medikamenten
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