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Granger Ann - Varady - 04

Titel: Granger Ann - Varady - 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dass sie stets Boses muss gebaren
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nachdem all diese Erinnerungen zum ersten Mal
seit vielen Jahren auf mich einstürmten, war mir nach Heulen zumute. Ich war völlig verzweifelt. Doch ich konnte
nicht weinen. Ich musste irgendetwas sagen, doch alles, was
mir einfiel, war die Frage, wie sie sich fühlte. Und selbst das
erschien mir als ungehörig. Schließlich lag sie im Sterben.
»Heute geht es einigermaßen«, antwortete sie und fügte
hinzu: »Es muss ein Schock für dich gewesen sein, als Rennie Duke dich gefunden und dir von mir erzählt hat.«
»Ja, das war es allerdings.« Plötzlich stand das Bild von
Clarence Duke vor meinem geistigen Auge. »Wie bist du an
ihn gekommen?«, fragte ich. »Hast du eine Anzeige in der
Zeitung gelesen?«
»O nein. Das heißt, er annonciert zwar hin und wieder,
doch ich kenne ihn schon lange. Ich habe früher mal für ihn
gearbeitet. Deswegen habe ich mich an ihn gewandt. Ich
wusste, dass er gut ist.« Sie lächelte. »Und er hat nichts genommen für seine Dienste, um der alten Zeiten willen.«
»Das ist nett von ihm«, antwortete ich lahm. Es erschien
mir ganz und gar untypisch für jemanden wie Clarence –
das Bild eines loyalen Freundes wollte nicht zu der heruntergekommenen kleinen Gestalt passen, die ich kennen gelernt hatte.
»Ich nehme an, du magst ihn nicht besonders.« Sie hatte
eine Art, direkt zum Punkt zu kommen. Vielleicht war es
der herannahende Tod, der den Menschen Einsicht verschaffte. »Lass dich nicht von Rennies Äußerem täuschen.
Er ist gar kein so übler Kerl. Als Privatdetektiv ist er sogar
sehr gut.« Sie veränderte ihre Haltung im Bett ein wenig,
und ich fragte mich, ob sie vielleicht trotz des äußeren Anscheins unter Schmerzen litt.
»Ich hatte gehofft, dass du kommen würdest«, fuhr sie
fort. »Ich wollte dich noch einmal Wiedersehen – und ich
muss dir etwas sagen.«
»Ich will keine Erklärungen hören«, sagte ich rasch. »Sie
sind nicht nötig.«
»Erklärungen?« Ihre großen blauen Augen wirkten beinahe amüsiert. »Es gibt keine Erklärungen, die ich dir geben
könnte. Nicht für den Grund, warum ich gegangen bin. Es
ist nichts, was du verstehen würdest. Ich könnte dir sagen,
dass es mir Leid tut, und es wäre sogar wahr. Aber es würde
nicht helfen, oder? Selbst wenn du mir glauben würdest, was
du wahrscheinlich nicht tust. Ich hoffe, dass du es eines Tages wirst. Es war schrecklich, was ich dir angetan habe, als
ich fortgegangen bin, obwohl du noch so jung warst. Doch
manchmal muss man im Leben harte Entscheidungen treffen, und was auch immer man wählt, man muss hinterher
damit leben.« Sie winkte ab, um mich daran zu hindern, irgendetwas zu erwidern – für den Fall, dass ich es gewollt
hätte.
Doch ich hätte sowieso keine Antwort gehabt, also ging es
in Ordnung. Ich hätte vielleicht sagen können, ja, wir alle
hatten mit ihrer Entscheidung leben müssen. Andererseits
hätte ich mich dann geschämt, denn das, was sie sagte – dass
sie wahrscheinlich ihre Zeit verschwenden würde, wenn sie
versuchte, sich zu entschuldigen – war genau das, was ich zu
Ganesh gesagt hatte. Mit dem einzigen Unterschied, dass ich
es im Zorn gesagt hatte und sie es auf eine einfache, faktische Weise sagte, welche die Dinge irgendwie logisch erscheinen ließ. Doch dann fuhr sie fort, und ihre nächsten
Worte brachten wieder alles durcheinander.
»Ich wollte dich sehen, Fran. Es ist schön zu wissen, dass
du mich nicht so sehr hasst, dass du nicht gekommen bist.
Ich muss dir etwas sehr Wichtiges sagen. Etwas, das geschehen ist, nachdem ich Stephen verlassen habe. Ich brauche
deine Hilfe, Fran.«
»Muss ich es denn wirklich erfahren?«, fragte ich mit einer Stimme, die mir im Hals stecken zu bleiben drohte. Ich
spürte, wie Ablehnung in mir aufstieg. War das der Grund,
aus dem ich hier war? Warum hatte sie nicht gefragt, wie es
mir ging? Was ich so machte? Wo ich wohnte? Na ja, auf
diese Weise erfuhr sie wenigstens nicht, dass ich in Onkel
Haris Garage campierte. Trotzdem, fragen hätte sie wenigs
tens können.
»Ja, du musst es erfahren, und du bist der einzige
Mensch, dem ich es anvertrauen kann. Wenn ich fertig bin,
wirst du den Grund sehen. Ob du es verstehen wirst, ist eine
andere Sache.«
Sie verschränkte die dünnen Hände über der Bettdecke.
Sie trug keine Ringe. Ich fragte mich, ob sie ihren Ehering
zurückgelassen hatte, als sie weggegangen war vor all den
Jahren. Ihre Nägel waren so kurz und sauber geschnitten
wie die von Schwester Helen.
»Ich habe deinen

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