Granger Ann - Varady - 04
Zusammentreffen, doch am Telefon bin ich nie besonders schlagfertig.
Wir klapperten in Dilips altem, heruntergekommenem
Datsun durch Egham und verschandelten mit unserem Wagen die Stadt. Egham ist eine sehr vornehme Gegend.
Ich wusste nicht, was mich in einer Sterbeklinik erwartete. Vielleicht war es so ähnlich wie in einem Krankenhaus,
dachte ich. Doch es war ganz und gar nicht so. Es war ein
großes Backsteingebäude auf halber Höhe eines Hügels ein
klein wenig außerhalb der Stadt in einem großen Garten,
ein gutes Stück von der Straße zurück und mit vielen Bäumen dazwischen. Wir klapperten und hüpften über die Auffahrt und parkten auf einem Platz, der mit Besucher ausgeschildert war.
Es schien nicht allzu viele Besucher zu geben, obwohl
Sonntag war. Was interessiert es mich, dachte ich, während
wir aus dem Wagen kletterten. Ganesh hatte eine zu große
Wachsjacke an, die aussah, als hätte er damit seit Einbruch
der Morgendämmerung schwere Zeitungsballen durch die
Gegend gewuchtet. Ich trug schwarze Leggings, meine neuen Reißverschlussstiefel und eine hellgelbe Puffa-Jacke, die
ich bei Oxfam erstanden hatte. Sie hielt warm, doch ansonsten war sie wenig schick. Ich sah aus wie Winnie Puuh in
schlechten Zeiten. Ich hatte außerdem mit meiner Haarfarbe experimentiert; das normale Mittelbraun meiner Haare
war mir langweilig geworden, und jetzt leuchteten sie in
grellem Rot. Wenigstens war mein Kurzhaarschnitt wieder
gewachsen, und es gab ein wenig mehr Haare zu färben.
Ganesh hatte freundlich gemeint, dass es gar nicht schlecht
aussähe. »Besser als früher jedenfalls«, hatte er hinzugefügt.
Wir hatten Bonnie im Lagerraum von Onkel Haris Laden
zurückgelassen. Ganesh ist zwar strikt gegen Hunde, doch
Onkel Hari scheint Bonnie manchmal zu mögen. Er meint, sie
wäre ein guter Wachhund. Sie bellt zumindest, so viel steht
fest. Aber sie ist eben klein, ein Jack Russell Terrier. Ich glaube
nicht, dass irgendein Halunke sich von ihr beeindrucken oder
abschrecken lassen würde, insbesondere, nachdem sie dazu
neigt, sich mit jedem zu verbrüdern, der in stinkenden alten
Jeans herumläuft, und jedem misstraut, der besser gekleidet
und gepflegt erscheint. Aber das geht mir nicht anders.
Wir standen vor dem Haupteingang der Sterbeklinik und
starrten auf die Glastüren, die in einen geräumigen Empfangsraum führten – der einzige Hinweis darauf, dass wir
hier nicht vor einem ganz normalen Mietshaus standen.
»Bestimmt gibt es irgendwo im Innern ein Büro oder so
was«, mutmaßte Ganesh. »Wir sollten zuerst reingehen und
Bescheid sagen, wer wir sind.«
»Glaubst du, dass wir uns ausweisen müssen? Ich hab
keinen Ausweis dabei.«
Ganesh hatte seinen Führerschein, doch damit konnte ich
meine Identität nicht belegen. Ich hatte nichts weiter als
Clarence Dukes Visitenkarte, um meine Geschichte nötigenfalls zu untermauern. Wir läuteten.
Nach einer Weile erschien eine Frau in mittlerem Alter in
einer grauen Strickjacke und dazu passendem Faltenrock
auf der anderen Seite der Glastür.
»Es ist offen!«, gestikulierte sie. Um es zu demonstrieren,
zog sie die Tür in ihre Richtung.
Wir schoben uns hinein, während wir uns verlegen entschuldigten.
»Kein Problem«, sagte sie freundlich. »Ich bin Schwester
Helen.«
Aus der Nähe betrachtet war sie zwischen vierzig und
sechzig Jahre alt. Ihre Haut wirkte extrem sauber, glänzend,
rosig und weiß wie die der Melkerin in dem Kindermärchen. »Schwester« mochte bedeuten, dass sie eine Krankenschwester war, doch ich neigte mehr zu der Annahme, dass
sie Nonne war und sich deswegen so anreden ließ. Nonnen
laufen heutzutage nicht mehr in schwarz-weißen langen
Gewändern durch die Gegend, doch ich bin durch meine
katholische Erziehung sozusagen auf sie geeicht.
Es roch stark nach Blumen in der Klinik. Überall standen
große Vasen mit Blumen darin. Trotzdem reichte der Duft
nicht aus, um einen in der Luft hängenden, schwer zu beschreibenden Geruch zu überdecken, der von kranken Menschen herrührte.
Ich atmete tief durch. »Ich bin Fran – Francesca Varady. Ich
glaube, meine Mutter liegt hier bei Ihnen.« Mir wurde klar,
dass ich Duke hätte fragen sollen, wie sie jetzt hieß. Ich würde
wie eine Närrin dastehen, falls Schwester Helen den Nachna
men Varady nicht kannte. Glücklicherweise kannte sie ihn.
»Eva«, antwortete sie auf die gleiche freundliche Weise
wie zuvor. »Ich bringe Sie zu ihr. Hier entlang, bitte.«
Sie winkte mit einer Hand, die genauso
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