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Granger Ann - Varady - 04

Titel: Granger Ann - Varady - 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dass sie stets Boses muss gebaren
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Güte!«, sagte sie. »Ihre Mutter liegt
im Sterben, und ich habe nichts Besseres zu tun, als Sie hier
die ganze Zeit warten zu lassen …«
»Das macht doch überhaupt nichts …«, antwortete ich
tapfer.
Sie drückte einen verborgenen Knopf an ihrer Sessellehne, und während ich fasziniert hinsah, begann sich das Möbelstück nach vorn zu neigen. Gleichzeitig glitt die Sitzfläche
in die Höhe, sodass sie nach vorn rutschte, ihren Stock
packte und auf den Beinen stand. Das war vielleicht ein raffiniertes Teil! Auf den Stock gestützt, ging sie zu einem in
der Nähe stehenden Schreibtisch. Ben eilte ihr voraus und
klappte den Deckel auf, bevor sie dort ankam, und er nahm
ihren Ellbogen und stützte sie, als sie sich auf einen Stuhl
sinken ließ.
Sie machte sich daran, etwas aus einem kleinen Adressbüchlein auf ein Blatt Papier abzuschreiben. Ben ließ sie allein und kam zu mir an den Tisch, wo er sich setzte und
mich anlächelte. Entweder hatte ich irgendeinen Test bestanden, den er sich für mich in seinem Kopf ausgedacht
hatte, oder er versuchte mich weich zu machen für eine
sanfte Form von Verhör.
»Sie sind also Gärtner«, sagte ich, indem ich ihm zuvorkam. »Ich meine, Gartendesigner?«
»Ich möchte einer werden«, antwortete er. »Im Augenblick bin ich noch am College. Was machen Sie denn beruflich, Fran?«
»Ich?« Ich spürte, wie ich verlegen wurde. Keiner von beiden würde meine Situation verstehen, nicht ein Stück. »Ich
habe Schauspielerei studiert«, sagte ich. »Ich möchte Schauspieler werden. Bis jetzt hatte ich allerdings nicht viel Glück.«
»Sollte das nicht ›Schauspielerin‹ heißen?«, fragte er.
»Wir benutzen diesen Ausdruck heutzutage nicht mehr,
nicht unter Kollegen«, informierte ich ihn. »Auch wenn die
meisten anderen Leute es noch tun. Wir sind alle Schauspieler.«
»Es ist jedenfalls ein ziemlich hartes Geschäft, denke ich
mir«, sagte er mitfühlend. »Also machen Sie im Moment
eine künstlerische Pause, ist das nicht der Ausdruck dafür?«
»Das ist er.« Zu wahr. Ich bin der ausgeruhteste Schauspieler im gesamten Land.
Mrs Mackenzie hatte sich auf ihrem Stuhl umgewandt
und hielt uns ein Blatt Papier entgegen. Ben erhob sich, um
es zu holen.
»So, bitte sehr«, sagte Mrs Mackenzie, als Ben es mir gegeben hatte. »Flora und Jerry werden sicher ganz traurig
sein, wenn sie von Ihrer Mutter erfahren.«
Sie würden ganz sicher traurig sein, aber vielleicht nicht
so, wie Mrs Mackenzie meinte. Ich fühlte mich irgendwie
schuldig, weil Mrs Mackenzie und Ben so freundliche Menschen waren und ich sie – zumindest in gewisser Hinsicht –
belogen hatte.
Ich warf einen Blick auf das Blatt, das Ben mir gegeben
hatte. Die Wildes wohnten in Kew. Berühmt für seine Gärten. Wenigstens hatten sie nicht die Region von Greater
London verlassen. Während meiner Fahrt hierher hatte ich
überlegt, dass sie überall hingezogen sein konnten, bis nach
Schottland hinauf oder nach Wales im Westen, irgendwo in
die Berge. Oder vielleicht hatten sie das Land sogar verlassen. (Ich will nicht verhehlen, dass ich es mir insgeheim gewünscht habe.) Doch nein, sie wohnten in Reichweite, und
jetzt war es zu spät für Reue. Ich murmelte meinen Dank
und steckte das Blatt gefaltet in die Tasche, während ich
mich erhob, um zu gehen.
Ben blickte seine Tante an. »Ich muss jetzt ebenfalls los,
Tante Dot. Kann ich Sie vielleicht irgendwo absetzen, Fran?«
Ich schüttelte den Kopf. »Danke sehr, aber ich muss nach
Norden hinauf. Ich nehme die U-Bahn.«
»Dann bringe ich Sie wenigstens bis zur U-Bahn-Station.«
Meinetwegen. Ich schätzte, dass er mich in Wirklichkeit
noch ein wenig genauer abklopfen wollte. Er machte einen
ziemlich aufgeweckten, scharfsinnigen Eindruck. Wahrscheinlich wusste er längst, dass es noch irgendetwas gab,
das ich ihm und seiner Tante verschwieg.
Er trug das Tablett in die Küche und kam zurück, um sich
von seiner Tante zu verabschieden. Ich zog mich diskret nach
draußen in den Flur zurück. Ich konnte sie murmeln hören
und fragte mich, ob er ihr noch irgendetwas über mich erzählte, doch bevor ich zur Tür treten und lauschen konnte,
kam er aus dem Zimmer.
»Also los«, sagte er munter.
Er besaß eines jener kleinen Geländeautos. Ich kletterte
auf den Beifahrersitz, und er sagte: »Ich fahre Sie gerne bis
ganz nach Hause, wenn Sie mögen. Ich hab heute sowieso
nichts mehr zu tun.«
Das war viel zu durchsichtig. Wenn er unbedingt herausfinden musste, wo ich

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