Granger Ann - Varady - 04
meine Mutter so sorgfältig nur für
mich niedergeschrieben hatte und der nichts außer einer
Adresse und einer Bitte enthielt.
Ich konnte mir sehr genau vorstellen, wie Rennies Gesichtszüge zuckten wie eine Ratte, die die Witterung von
Fressen aufgenommen hat. Dann alles wieder zurück an seinen Platz und zusammendrücken, solange der Leim noch
feucht war, damit er in Ruhe trocknen konnte. Er würde
wieder kleben, gut genug, damit meine Mutter nichts merkte. Rennie war ein guter Privatdetektiv. Kein netter, aber ein
guter. Er hatte wahrscheinlich draußen auf der Straße gewartet und überlegt, was er unternehmen sollte, als ich die
Straße hinaufmarschiert kam und bei Mrs Mackenzie läutete. Also hatte er seine unmittelbaren Pläne verschoben und
stattdessen beschlossen, mir zu folgen. In nächster Zukunft
würde ich die Augen auch hinter mir offen halten müssen.
Ich stöhnte laut auf.
»Was ist denn los, Süße? Vor wem versteckst du dich?«,
fragte einer der Männer von London Transport amüsiert.
Ich trat hinter dem Fahrkartenautomaten hervor. »Vor
einem Ex-Freund, weiter nichts«, antwortete ich.
»Wenn er auch nur halb so gut ist wie meine Exfrau«,
entgegnete der Mann, »dann hast du keine Chance. Er spürt
dich überall auf.«
Das war genau das, was ich jetzt gebraucht hatte. Jemand,
der sich wie Hiob benahm und alles noch schlimmer machte. »Na großartig«, murmelte ich.
Den Rest des Tages verbrachte ich beim Wohnungsamt. Es
hatte seine Vorteile, sich erst spät dort zu melden: Die Warteschlange war nicht mehr so lang. Auf der anderen Seite –
wer zuerst kam, wurde zuerst bedient. Wahrscheinlich hatten sie nicht einmal mehr eine Sardinenbüchse für mich,
selbst wenn sie gewollt hätten.
Ich saß auf einem harten Stuhl und starrte auf die verkratzte und abgeblätterte Farbe an den Wänden rings um
mich herum und auf die Tür zur Toilette mit dem Warnhinweis, dass jeder, der sie benutzte, sich sofort mit dem Sicherheitspersonal in Verbindung setzen sollte, falls er Spritzen oder Ähnliches dort vorfand. Das »Sicherheitspersonal«
war ein kleiner, bedrückt wirkender Mann in navyblauer
Hose und blauem Hemd. Er blickte immer wieder auf seine
Uhr. Es ging auf Feierabend zu.
Am Schalter stand eine dicke Frau mit schmierigen Haaren und zankte sich mit der Beamtin dahinter. Sie wurde
begleitet von einer jüngeren Ausgabe ihrer selbst, wasserstoffblond und pickelig mit einem vorquellenden Bauch.
Ein ebenfalls schmuddeliges Kleinkind in einem Buggy
komplettierte das unattraktive Trio. Der kleine nuckelte an
einem Lutscher.
»Wir sind acht Personen im Haus!«, schimpfte die Frau.
»Das sind viel zu viele, verdammt! Meine Tochter braucht
dringend eine eigene Wohnung! Sie hat ein Kind, und ein
zweites ist unterwegs!«
Die Beamtin hinter dem Schalter nahm die Details resigniert entgegen. Es war ein langer Tag gewesen. Mutter und
Tochter und Enkeltochter trollten sich schließlich. Das Kind
ließ seinen Lutscher auf den Boden fallen, als die drei an mir
vorüberkamen. Der Sicherheitsmann rief klagend »Hey!«,
was ihm lediglich einen schmutzigen Blick von den beiden
Frauen einbrachte. Sie verschwanden außer Sicht. Der Sicherheitsmann und ich starrten den auf dem Boden liegenden Lutscher an, als wollte jeder von uns den anderen dazu
bringen, sich als Erster zu bücken und ihn aufzuheben. Verdammt, es war nicht mein Job. Seiner ebenfalls nicht. Bald
würde das Reinigungspersonal kommen. Der Lutscher
blieb, wo er war.
Die Frau hinter dem Schalter lauschte meiner Leidensgeschichte. Sie sagte, sie würde mich auf eine Liste für die Obdachlosenunterkunft setzen, doch sie könnte nichts garantieren. Ich sagte, dass ich keinen Platz in einer Obdachlosenunterkunft wollte, sondern eine Wohnung. Sie ermahnte
mich freundlich, nicht so wählerisch zu sein.
»Haben Sie denn einen Platz für heute Nacht?«, erkundigte sie sich. Sie wollte lediglich behilflich sein, doch es gab
nichts, womit sie mir hätte helfen können.
Ich sagte ihr, dass ich eine Unterkunft für die Nacht hätte, und sie musterte mich mit einem Blick, als wollte sie sagen, was ich dann hier zu suchen hätte und warum ich sie
langweilen würde. Ich hatte den Lutscher völlig vergessen,
und als ich wütend nach draußen stapfte, trat ich auf das
süße, klebrige Ding, und es blieb an meiner Sohle haften.
Ich musste es abziehen und in den Papierkorb werfen. Der
Sicherheitsmann grinste von einem Ohr zum anderen.
»Schön
Weitere Kostenlose Bücher