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Granger Ann - Varady - 04

Titel: Granger Ann - Varady - 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dass sie stets Boses muss gebaren
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wohnte, dann bestimmt nicht auf eine so billige Tour. So leicht würde ich es ihm nicht machen
– im Gegenteil, ich war fest entschlossen, alles zu unternehmen, um es zu verhindern.
»Nur bis zur Station, das reicht völlig«, sagte ich entschieden.
Er grinste flüchtig – wir wussten beide, dass ich ihm den
Wind aus den Segeln genommen hatte. Ja, er war wirklich
scharfsinnig.
Als er den Wagen auf die Straße lenkte, fuhr vielleicht
hundert Meter vor uns ein grünlich-blauer anderer Wagen
ebenfalls los. Er zuckelte vor sich hin, doch Ben unternahm
keine Anstalten, ihn zu überholen.
»Ihre Tante ist sehr stolz auf Sie«, sagte ich, entschlossen,
ihm zu zeigen, dass unsere Konversation ganz und gar nicht
einseitig werden würde, wenn er schon über mich reden
wollte. Die Leute sind oft viel eifriger dabei, Fragen zu stellen, als selbst welche zu beantworten. Sie überlegen es sich
zweimal, sobald ihnen bewusst wird, dass sie auch Fragen
beantworten müssen, wenn sie selbst welche stellen.
Doch Ben grinste nur. »Ich bin auch stolz auf Tante Dot.
Sie wird seit Jahren immer gebrechlicher, aber sie gibt nie
auf. Sie hat einen wundervollen Lebensmut.«
»Die Schwester, bei der sie zu Besuch war«, fragte ich. »Ist
das Ihre Mutter?«
Das Grinsen verschwand, als hätte man einen Schalter
umgelegt. »Nein«, sagte er abrupt. »Rein technisch gesehen
ist Tante Dot eine Großtante von mir. Die Tante meiner
Mutter.«
Ich hätte selbst darauf kommen können – es hätte überhaupt nicht zu Mrs Mackenzie gepasst, einen so jungen Neffen zu haben.
»Es tut mir Leid, dass es Ihrer Mutter so schlecht geht«,
sagte Ben.
»Ja«, antwortete ich. Schwach, zugegeben, doch was hätte
ich sonst sagen können? Jedenfalls nicht, dass sie mich im
Stich gelassen hatte, als ich gerade erst sieben Jahre alt gewesen war.
»Varady ist wirklich ein ungewöhnlicher Name«, sagte er.
»Meine Familie stammt ursprünglich aus Ungarn«, antwortete ich. »Das heißt, die Eltern meines Vaters waren Ungarn. Sie brachten ihn in den Fünfzigern hierher, als er noch
ein kleiner Junge war.«
»Wie kommt Ihr Vater mit der Krankheit Ihrer Mutter
zurecht?«
»Überhaupt nicht«, antwortete ich düster. »Er ist vor einigen Jahren gestorben.«
»Das ist hart«, erwiderte er mitfühlend.
Ich hätte ihm sagen können, dass das ganze Leben hart
ist. Dass nicht alle hingebungsvolle Großtanten haben, die
einem ermöglichen, im Garten seinem Hobby nachzugehen.
Doch das wäre unfair gewesen. Andererseits war ich allein,
seit ich sechzehn war. Ich vermisse Dad und Großmutter
Varady, und sie lasten auf meinem Gewissen, weil sie mich
aufgezogen haben, und ich wünschte, ich hätte sie weniger
enttäuscht, als ich es habe. Ich weiß bis zum heutigen Tag
nicht, wie sie das Geld zusammengekratzt haben, um mich
auf die Privatschule zu schicken, von der ich verwiesen
wurde. Danach besuchte ich die Schauspielklasse eines einheimischen Colleges. Mein Vater und meine Großmutter
waren selbstverständlich überzeugt gewesen, dass ich eine
brillante Bühnenkarriere vor mir hatte. Ich hatte es selbst
geglaubt. Doch dann war Dad gestorben, kurze Zeit später
Großmutter, und ich musste die Schule erneut verlassen,
und nicht nur das, sondern auch die Wohnung, als mein
Vermieter mich auf die Straße setzte. Seit damals habe ich
hauptsächlich in besetzten Häusern gewohnt, und meine
Schauspielambitionen hatten geruht. Die Wohnung, die ich
für kurze Zeit zu extrem günstigen Bedingungen bei Daphne gemietet hatte, war das erste anständige Zuhause seit Jahren gewesen. Aber jetzt verstehen Sie sicher, warum ich immer geglaubt habe, dass es nicht von Dauer sein könnte.
Nichts wirklich Gutes ist je von Dauer, jedenfalls nicht bei
mir.
»Was ist mit Ihren Eltern?«, fragte ich. »Sind sie erfreut
darüber, dass Sie sich für diesen Beruf entschieden haben?«
»Sie haben nichts dagegen«, antwortete er. »Nachdem sie
sich erst einmal an die Vorstellung gewöhnt hatten, heißt
das. Sie sind beide hohe Tiere in der Geschäftswelt. Zuerst
dachten sie, ich würde einfach nur gegen ihren Lebensstil
rebellieren, wie Kinder es eben tun. Sie wissen sicher, wie
das ist. Sie denken sich nichts dabei, um die halbe Welt zu
jetten, um sich mit einer Bande anderer Geschäftsleute zu
treffen, um gleich darauf wieder zurückzufliegen und über
einem Arbeitsessen mit einheimischen Partnern zu verhandeln. Wer braucht so etwas? Ich jedenfalls nicht. Ich habe

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