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Granger Ann - Varady - 04

Titel: Granger Ann - Varady - 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dass sie stets Boses muss gebaren
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Ihr
Baby war gestorben, und …«
»Nein!« Sie widersprach so heftig, dass ich verstummte.
Sie starrte mich für einen Moment an, und dann schien sie
einen Entschluss zu fassen. »Nein, mein Baby ist nicht gestorben. Nicht mein Baby. Sondern das von Eva.«
»Wa-was?«, stammelte ich.
»Herrgott noch mal, was soll dieser ganze Unsinn?«,
platzte sie heraus. »Sie sagen selbst, dass Sie Ihre Mutter
kaum kennen, und trotzdem scheinen Sie alles zu glauben,
was sie Ihnen erzählt! Selbstverständlich erinnere ich mich
an sie. Ich habe Jahre gebraucht, um sie zu vergessen, und
dann platzen Sie herein und rühren alles wieder auf, danke
sehr! Sie bekam ein Baby im St. Margaret’s, aber es starb,
und das hat sie sehr mitgenommen. Sie wurde ein wenig
verrückt. Sie war überzeugt, dass ihr Baby noch am Leben
wäre und dass das Krankenhaus es aus irgendeinem Grund
mit einem toten vertauscht hätte. Ich meine, wie verrückt
kann ein Mensch werden? Sie hatte sich in den Kopf gesetzt,
dass unser Baby in Wirklichkeit ihres war. Wir mussten umziehen, um von ihr wegzukommen! Ich kann es nicht glauben, dass sie uns nach all den Jahren immer noch verfolgt!
Ich kann nur annehmen, dass sie in ihrem gegenwärtigen
Zustand wieder geistig verwirrt und in ihre alte Wahnvorstellung zurückgefallen ist! Selbstverständlich tut es mir Leid
zu erfahren, dass sie stirbt.«
Nein, das tat es nicht. Sie konnte ihre Erleichterung darüber nicht verbergen. Ich war erschüttert über ihre Worte
und wusste nicht mehr, was ich glauben sollte. Mrs Wildes
Worte klangen plausibel. Was wusste ich schon von meiner
Mutter?
Und doch brachte mich irgendetwas in Flora Wildes Gesichtsausdruck dazu, ihre Version nicht so richtig zu glauben. Sie beobachtete mich in stillem Triumph. Weil sie mir
den Teppich unter den Füßen weggezogen hatte? Oder weil
sie wusste, dass die größte Bedrohung für ihre Familie im
Begriff stand, endgültig zu verschwinden?
Ihr Blick war berechnend geworden. »Gehen Sie und erzählen Sie ihr, dass Sie mit mir gesprochen haben, wenn es
sein muss«, sagte sie. »Wenn es sie glücklich macht vor ihrem Tod. Ich nehme an, Sie müssen ihr erzählen, dass Sie
hier waren. Erzählen Sie ihr meinetwegen, dass es uns allen
sehr gut geht. Allerdings besteht absolut keine Notwendigkeit, dass Sie jemals wieder herkommen oder je wieder mit
irgendeinem von uns in Kontakt treten. Außerdem möchte
ich Ihnen für die Zukunft empfehlen, sollte eine derartige
Situation noch einmal entstehen, dass Sie ein wenig vorsichtiger sind, bevor Sie sich einverstanden erklären, die Bitte
irgendeines Sterbenden auszuführen.«
Sie hatte den Nagel auf den Kopf getroffen, so viel stand
fest – ganz gleich, wie wahr der Rest von allem sein mochte.
»Sehr gut«, sagte ich. »Ich werde es ihr sagen.« Ich erhob
mich, um zu gehen, und als ich mich umwandte, erblickte
ich hinter mir auf einer Kommode eine Fotografie von der
Sorte, wie sie in Schulen von Schülern gemacht werden. Sie
zeigte ein blondes Mädchen in einer Uniformbluse mit einer
Krawatte. »Ist das …?«
Ich hatte kaum angesetzt zu sprechen, als Flora von ihrem Stuhl in die Höhe schoss, an mir vorbei zu der Kommode, das Bild in seinem Rahmen packte und mit dem Gesicht nach unten krachend hinlegte. Ihr Gesicht war vor
Wut verzerrt, und jetzt war ich an der Reihe, erschrocken
vor ihr zurückzuweichen.
»Wenn Sie sich auch nur in die Nähe meiner Tochter wagen sollten …«, sagte sie mit dunkler, zitternder Stimme, in
der so viel nackte Wut mitschwang, dass die Wirkung doppelt so stark war, als hätte sie die Worte gebrüllt, »… werde
ich Sie töten.«
Ich weiß nicht, was ich darauf hätte antworten sollen,
doch ich bekam auch keine Gelegenheit dazu. Ich war vollkommen unvorbereitet auf das, was als Nächstes geschah.
Ich hätte es wissen müssen. Ich habe zuzeiten in ziemlich
rauer Gesellschaft gelebt, der Sorte, die Fäuste Worten vorzieht. Doch Flora war nicht so. Jedenfalls hatte ich das bis zu
diesem Augenblick geglaubt. Diese hübsche, puppenartige
Kreatur? In diesem Mittelklasse-Zuhause? Mit all dem ökologischen Essen auf dem Tisch?
Sie ballte die Faust und landete einen Schwinger in meinen Rippen, der mir die Luft nahm. Ich klappte zusammen
wie ein geknickter Halm und landete auf dem Boden. Sie
kochte vor Wut und begann mich zu treten. Glücklicherweise kamen mir in diesem Augenblick meine Erfahrung
und mein Selbsterhaltungstrieb zu Hilfe, und ich packte ihren

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