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Granger Ann - Varady - 04

Titel: Granger Ann - Varady - 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dass sie stets Boses muss gebaren
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ausgepackt, aber noch nichts eingeräumt. Der
Tisch zwischen uns war übersät mit Obst und Gemüse und
anderen Lebensmitteln, und kaum irgendetwas davon enthielt mehr als eine Spur Zucker oder Fett. Selbst die Crème
fraîche war fettreduziert – und ehrlich, was für einen Sinn
macht so etwas? Es gab Pakete mit vorgewaschenem Salat,
Tetrapacks mit frisch gepressten Säften (ohne Zusätze), einen Laib Vollkornbrot und eine Packung Ryvita. Ein paar
vereinzelte Dosen standen ebenfalls auf dem Tisch, doch sie
enthielten Dinge wie Kichererbsen. Ich befand mich in einem Haushalt, der gesunde Ernährung offensichtlich ernst
nahm. Das war also der Grund dafür, dass Flora Wilde ihre
puppenartigen Proportionen halten konnte. Niemand hatte
je in dieser Küche eine Kartoffel frittiert. Ich fragte mich, ob
sie Fleisch aßen. Ich sah keine Spur von Fleisch oder Wurst.
Einigermaßen ironisch überlegte ich, dass Flora sehr wahrscheinlich noch nicht vom Einkaufen zurück gewesen wäre,
hätte ich eine halbe Stunde früher an der Tür geläutet.
»Sie wissen, wer ich bin, nicht wahr?«, begann ich. »Ganz
ehrlich?« Ich wollte ihr eine Chance geben, Klartext zu reden.
Flora Wilde schob das Kinn vor und fixierte mich mit ihren eisigen blauen Augen. »Ich habe nicht die geringste Ahnung, wer Sie sind. Es gibt keinen Grund, warum ich irgendetwas von dem glauben sollte, was Sie erzählen, und
noch weniger, warum es mich überhaupt interessieren sollte.«
Ich war gezwungen weiterzumachen. »Zumindest kennen
Sie meine Mutter, so viel steht fest. Mrs Wilde, ich kenne Sie
aus den Erzählungen meiner Mutter. Sie haben seit Jahren
nichts mehr von ihr gehört, aber bitte, lassen Sie mich erklären, warum ich hier bin.«
»Fahren Sie fort«, sagte sie entmutigend. »Ich nehme an,
ich kann Sie nicht daran hindern. Ich wiederhole lediglich,
dass es mich nicht im Geringsten interessiert. Sie verschwenden Ihre und meine Zeit, Miss.«
Ich verzichtete auf einen Widerspruch, obwohl ich innerlich zu fürchten begann, dass es tatsächlich so war. »Ich
weiß nicht, wie viel Sie über meine Mutter wussten, als Sie
sie vor einigen Jahren kannten«, fing ich an, »doch sie hatte
eben meinen Vater verlassen – und mich. Ich war damals
sieben Jahre alt. Wir haben nie wieder etwas von ihr gehört.
Wir wussten nicht, wo sie war oder ob sie überhaupt noch
lebte. Das ist wichtig, nicht wahr?«
Sie antwortete nicht. Sie wusste ihr Schweigen wie eine
Waffe einzusetzen.
Ich wurde allmählich ärgerlich. Ich hatte nicht herkommen wollen. Es war nicht meine Idee gewesen. Flora Wilde
war in einer Situation, die ihr nicht gefiel, aber verdammt,
mir ging es nicht anders! Warum konnte sie diese ganze
peinliche Geschichte nicht für uns beide ein wenig leichter
machen?
»Ihr Leben ist nicht das einzige, in dem sie unerwartet wieder aufgetaucht ist, wissen Sie?«, fuhr ich fort. »Sie ist auch in
mein Leben wieder hereinmarschiert. Sie hat einen Privatdetektiv und Freund damit beauftragt, mich zu finden.«
Bei dem Wort »Privatdetektiv« zuckte Flora zusammen.
Sie bewegte die Lippen, doch es kam kein Laut hervor, und
dann presste sie den Mund entschieden zusammen, als wollte sie es bewusst verhindern.
»Er ist inzwischen aus dem Spiel, also müssen Sie sich
seinetwegen keine Sorgen mehr machen«, sagte ich hastig.
»Aber er hat mich gefunden, und ich war einverstanden,
meine Mutter zu besuchen, weil sie nicht mehr lange zu leben hat und in einem Hospiz liegt. In diesem hier.« Ich zeigte ihr den gleichen Zettel, den ich auch Mrs Mackenzie und
ihrem Großneffen Ben gezeigt hatte, mit dem Namen der
Sterbeklinik und der Telefonnummer darauf.
Flora warf kaum einen Blick darauf. »Ich verstehe immer
noch nicht, wieso Ihnen das einen Grund gibt, hierher zu
kommen.«
»Mutter hat mich gebeten, es zu tun«, sagte ich. »Man
sollte die Bitte eines Sterbenden nicht ausschlagen, wissen
Sie? Es ist immer eine schwierige Sache, und ich konnte es
einfach nicht. Ich wollte diesen Auftrag nicht, den sie mir
mit auf den Weg gegeben hat, aber ich habe ihn übernommen, weil es für sie jetzt, am Ende ihres Lebens, wichtiger ist
als alles andere, Kontakt zu Ihnen herzustellen, und wenn es
nur durch mich ist.«
»Ich kann mir keinen Grund dafür denken«, sagte sie
kalt. »Ich habe nicht die geringste Ahnung, warum sie so
etwas tun sollte.«
»Mrs Wilde«, erwiderte ich, »Ich weiß, was geschehen ist,
und ich weiß auch, warum. Ich verstehe Sie sehr gut.

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