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Granger Ann - Varady - 05

Titel: Granger Ann - Varady - 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Und hute dich vor deinen Feinden AEA4CEC7
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dass er wahrscheinlich gewartet hatte, bis
Luigi die Bar verlassen hatte. Luigi entging nie etwas. Er
würde nicht übersehen, wenn sich jemand wie Ion in den
Laden schlich, und er würde ihn schneller hinauswerfen, als
er gucken konnte. Ion sah ganz und gar nicht aus wie einer
unserer Gäste. Auf der anderen Seite konnte Ion von hier
draußen unmöglich eine der Türen im Korridor gesehen
haben, somit auch nicht, welche Tür Max benutzt hatte.
Seine Überzeugung, dass Max in das Büro gegangen war,
basierte auf Vermutungen, weiter nichts. Er hatte gesehen,
wie Max in den Korridor gegangen war. Später hatte er herausgefunden, dass es im Korridor zwei Türen gab. Und
dann hatte er sich die fixe Idee in den Kopf gesetzt, dass
Max die Bürotür genommen hatte.
Da war noch etwas, das ich versäumt hatte, ihn zu fragen.
Ion hatte behauptet, er hätte Max ins Büro gehen sehen
(wovon ich inzwischen wusste, dass es unmöglich war);
doch er hatte nicht gesagt, dass er Max wieder hätte herauskommen sehen. Warum nicht? Weil er beim Beobachten gestört worden war? Weil er hatte flüchten müssen, nicht nur
aus dem Restaurant, sondern auch von der Straße davor?
Ich dachte über all das nach und kam zu der Überzeugung, dass Ion einen Augenblick genutzt haben musste, als
Luigi die leeren Flaschen nach draußen auf den Hof gebracht hatte. Er wusste, dass es nicht lange dauern konnte,
bis der Barmann wieder zurückkehrte. Er war ins Restaurant gehuscht, in den Korridor, hatte die Türen gesehen,
seine Entscheidung getroffen und war wieder gegangen, bevor Luigi zurück war. Aber worauf basierte dann seine Entscheidung? Hatte er Stimmen durch die Bürotür gehört?
Hatte sie offen gestanden? Hatte er auf den Toiletten nachgesehen und festgestellt, dass dort niemand war? All diese
Fragen hätte ich Ion stellen sollen und hatte es nicht getan.
Ich fühlte einen Anflug von Ärger über mich selbst und
über Ion. Der Junge hatte mir von Anfang an eine ziemlich
unglaubwürdige Geschichte aufgetischt. Vielleicht hatte er
sich inzwischen eingeredet, dass alles genauso war, wie er es
erzählt hatte. Dass er mich ebenfalls überzeugt hatte, bedeutete lediglich, dass ich einfältig war. Allein der Gedanke,
dass ich ihm versprochen hatte zu versuchen, mehr über
diesen Max herauszufinden … Konnte ich mich als aus
meinem Versprechen entlassen betrachten? Zögernd entschied ich mich dagegen. Ich bin stolz darauf, stets mein
Wort zu halten.
Ich konnte nicht länger hier draußen vor dem Restaurant
herumhängen, sonst würde Luigi misstrauisch werden. Ich
stieß die Tür auf und ging hinein. Luigi polierte seine Gläser
und lauschte der italienischen Konservenmusik auf dem
Endlosband. Pietro war immer nur abends da, um sie mit
seinem Akkordeon zu ersetzen. Luigi begrüßte mich beiläufig. Ich war nicht sein Typ – Gott sei Dank!
Ich ging in den Korridor und an der halb offenen Tür zu
Jimmies Büro vorbei. Ich konnte den Fernseher hören, der
leise vor sich hin plärrte, und – nicht ganz so laut – Jimmies
rhythmisches Schnarchen. Es war ohne Zweifel anstrengend, Manager eines florierenden Konzerns zu sein.
Ich ging zum Umkleideraum für Angestellte. Die Bemühungen, die auf die Gästetoiletten verwandt worden waren,
hatten vor den Einrichtungen des Personals Halt gemacht.
Unser Umkleideraum war kaum mehr als eine große Besenkammer mit einem winzigen Klo dahinter. Er enthielt einen
altersschwachen Lehnstuhl, ein Waschbecken in einem billigen Toilettentisch und eine Reihe Kleiderhaken. Meine Kollegin Bronia war bereits dort. Sie arbeitete mit mir zusammen in der Mittagsschicht und würde anschließend zusammen mit Po-Ching die Abendschicht machen. Weil der
größte Teil der Arbeit in der Mittagszeit und während des
Abends anfiel, war die Arbeitszeit so geregelt, dass zwei
Kellnerinnen über Mittag servierten und nur eine nachmittags. Was letztendlich bedeutete, dass wir jeden Tag entweder zwei kurze Schichten oder eine lange Doppelschicht hatten. Und da wir zu dritt waren, war die Ausarbeitung eines
Dienstplans ein richtiger Albtraum.
Bronia hatte in letzter Zeit eine Menge Stunden gemacht.
Ich überschlug in Gedanken ihre Arbeitszeit und fühlte
mich ein wenig schuldig. Ein Grund für ihre vielen Überstunden war, dass ich weniger arbeitete, um mehr Zeit für
die Proben zu haben. Ich tröstete mich mit dem Gedanken,
dass sie wahrscheinlich insgeheim froh war über die Gelegenheit, ein wenig zusätzliches

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