Granger Ann - Varady - 05
offensichtlich die Lebensversicherungspolice versteckt hatte, stand nun stolz auf einem Beistelltisch. Daneben eine Fotografie des verstorbenen Mr Duke in Shorts und einem grell gemusterten Hemd. Außerdem
eine Topfpflanze mit dunkelgrünen Blättern und winzigen
orangefarbenen Blüten. Das ganze Arrangement war allem
Anschein nach ein Schrein zum Gedenken an Rennie Duke.
Ich überlegte, dass Susie mir wohl doch die Wahrheit gesagt hatte, als sie mir erklärt hatte, sie hätte Luigi nicht zum
Kaffee in die Wohnung gebeten. Selbst Luigis südländische
Leidenschaft hätte einen Dämpfer erhalten beim Anblick
dieses Schreins.
»Das ist die britische Antwort auf jedes Problem, nicht
wahr?«, rief Susie ironisch aus der Küche, wo sie den elektrischen Wasserkocher einschaltete und im Kühlschrank nach
Milch kramte. »Zuerst einmal einen Tee trinken.«
»Ja«, stimmte ich ihr geistesabwesend zu, während ich
Rennies Foto studierte. Selbst auf einem Urlaubsschnappschuss war es ihm gelungen, schmierig auszusehen.
Susie kam mit einem Tablett und zwei Bechern ins Wohnzimmer. »Möchtest du einen Schluck dazu, Fran? Gegen den
Schock? Ich habe Whiskey im Haus.«
»Nicht um diese Tageszeit«, antwortete ich. »Trotzdem,
danke.«
Obwohl wir seit Stunden auf den Beinen waren, war es
erst kurz nach neun. Wäre nicht das Adrenalin in meinem
Kreislauf gewesen, hätte ich jetzt wahrscheinlich einen
Durchhänger gehabt. Wir mussten nicht vor halb zwölf in
der Pizzeria sein, und ich hoffte, dass die Stresshormone
mich bis dahin auf dem Damm halten würden.
»Okay«, sagte Susie und stellte mir eine Tasse hin. »Wir
haben nicht viel Zeit, und wir müssen dringend nachdenken. Wir machen einen Plan, was wir als Nächstes tun werden, und werden uns auch daran halten.«
»Marty geht heute Abend noch einmal die Schwachpunkte im Skript mit uns durch«, erinnerte ich sie. »Die ganze
Truppe kommt zu mir nach Hause. Ich habe also keine Zeit
nach Feierabend.«
»Vergiss das. Das ist erst heute Abend. Wir müssen überlegen, was wir heute Morgen machen, bevor wir zur Arbeit
gehen. Das ist das Wichtigste. Wir haben zwei Stunden Zeit,
um eine Entscheidung zu treffen.«
Ich begriff, worauf sie hinauswollte. »Du denkst, wir sollten zur Polizei gehen«, sagte ich. »Für dich ist das nicht weiter schwer. Du hast der Morgan schließlich nichts vorenthalten, im Gegensatz zu mir. Sie hat nicht bei dir auf dem
Sofa gesessen und von Menschenschmugglern erzählt und
dich bedrängt, ihr alles zu erzählen.«
»Fran.« Susie beugte sich vor. »Ich bin ein Profi. Ich habe
ein Geschäft, verstehst du? Wenn ich im Laufe meiner Arbeit
auf eine richtig krumme Tour stoße, die nicht direkt mit meinem Klienten zu tun hat, dann muss ich die Cops informieren.
Diese Leute, die aus dem Laster gestiegen sind – das war eine
absolut krumme Tour. Du hast mir erzählt, dass Inspector
Morgan gegen eine Bande von Menschenschmugglern ermittelt, die in dieser Gegend operiert. Wir beide, Fran, müssen
mit der Morgan über das reden, was wir beobachtet haben.«
»Dann musst du ihr auch von Luigis Handy-Anruf erzählen. Er könnte durchaus genau von diesem Laster gesprochen haben. Und ich«, schloss ich entschieden, »ich werde
ihr alles über Max erzählen. Ich denke gar nicht daran, diesen Teil auszulassen.«
»Willst du ihr auch erzählen, dass du auf dem Bahnsteig
gewesen bist und gesehen hast, wie dein kleiner Freund vor
die Bahn gestoßen wurde? Entweder erzählst du den Cops
nämlich alles, oder du erzählst ihnen nichts«, erwiderte Susie. »Wenn du ihnen nur die halbe Geschichte erzählst, und
sie finden den Rest dann irgendwie selbst heraus, steckst du
in Schwierigkeiten.«
»Ich stecke sowieso in Schwierigkeiten«, sagte ich düster,
»weil ich der Morgan nichts gesagt habe, als sie extra deswegen bei mir zu Hause war.«
Susie schüttelte die blonden Locken. »Du hast eine Entschuldigung, Süße. Du hast unter Schock gestanden. Du
hast mit angesehen, wie jemand, den du kanntest, plötzlich
und auf furchtbare Weise gestorben ist. Niemand kann von
dir erwarten, dass du schon wieder klar und logisch gedacht
hast, als sie vor deiner Tür stand. Du hast doch nicht mit ihrem Besuch gerechnet, oder?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Ah, siehst du. Sie ist unangemeldet aufgetaucht, uneingeladen, zu einem Zeitpunkt, an dem du nicht du selbst
warst. Sie kann dir nicht verübeln, dass du vor ihr nicht die
Hosen heruntergelassen hast. Das ist deine beste
Weitere Kostenlose Bücher