Granger Ann - Varady - 05
der Brust und streckte die Beine aus. Die Beamtin
hinter dem Tresen grinste mich spöttisch an.
Parry kehrte zurück. »Okay«, sagte er. »Sie hat ein ZehnMinuten-Fenster.«
»Ein was ?«, fragte ich, und er besaß den Anstand zu erröten.
Letztendlich war Parry doch bei unserer Unterhaltung zugegen. Wir saßen in freundlicher gegenseitiger Nähe in der
Enge des Vernehmungszimmers. Ich hatte schon früher in
diesem Zimmer gesessen, und die dunklen grün und cremefarben gestrichenen Wände machten nicht den Eindruck,
als wären sie seit damals renoviert worden. Ich erkannte einige der Dellen und Kratzer in der Farbe wieder und bemerkte ein paar neue. Ein sehr junger weiblicher Constable in
einem Wollpullover brachte uns Tee. Ich war schon übervoll
mit Tee und fühlte mich aufgekratzt. Ich hatte noch nichts
gefrühstückt. Ich fragte kleinlaut, ob vielleicht die Möglichkeit bestand, ein Schinkenbrötchen aus der Kantine zu bekommen.
»Na, Sie haben Nerven!«, sagte Parry beinahe respektvoll.
»Bitten Sie die Kantine, uns zwei Schinkenbrötchen runterzuschicken. Sie sollen sie auf meine Rechnung setzen«,
sagte die Morgan.
»Danke«, sagte ich. »Ehrlich.«
»Ich setze sie auf die Spesenrechnung«, sagte die Morgan.
»So, kommen wir zur Sache. Worum geht es?«
Susie und ich erzählten abwechselnd unsere Geschichte.
Ich fing an und berichtete, wie ich Ion kennen gelernt hatte
und von seiner Suche nach dem verschwundenen Bruder.
Ich erzählte von dem dicken Mann, dessen Silhouette er gesehen hatte, und dass er gehört hatte, wie er von einem anderen Mann als ›Max‹ angesprochen worden war. Ion hatte
geglaubt, dass dieser Max mit der Pizzeria in Verbindung
stand, weil er ihm dorthin gefolgt war und gesehen hatte,
wie Max in den Korridor gegangen war, wo das Büro lag –
und dass es durchaus möglich war, dass er sich vertan und
die Toilettentür mit der Bürotür verwechselt hatte. Ich
wusste, dass Ion im Laden und sogar unten im Keller gewesen war. Ich für meinen Teil hatte zwar versucht herauszufinden, ob es tatsächlich jemanden namens Max gab, der
mit dem San Gennaro in Verbindung stand; bisher waren
meine Bemühungen jedoch vergeblich gewesen. Auf der anderen Seite hegte ich seit langem Misstrauen gegen meinen
Arbeitgeber.
»Warum?«, fragte Parry an diesem Punkt, als ich pausierte, um Luft zu holen.
Ich erklärte es ihnen, so gut ich konnte, und sagte, dass
mein Verdacht hauptsächlich daher rühre, dass Jimmie so
eindeutig nichts mit allem zu tun hatte und ganz und gar
nicht die Rolle des Managers ausfüllte, der er nach außen
hin war. Parry schnaubte nur.
»Ich kenne diesen Jimmie«, sagte er. »Er hat früher in
seinem Laden gebackene Kartoffeln verkauft. Er war schon
immer ein krummer Hund.«
»Ich kenne ihn ebenfalls. Er ist ganz sicher kein krummer
Hund. Jedenfalls kein richtiger Ganove, nichts von dem,
wovon wir hier reden. Wenn in der Pizzeria irgendwas nicht
mit rechten Dingen zugeht, dann weiß Jimmie jedenfalls
nichts davon.«
Parry wirkte nicht überzeugt. Ich wurde nervös. Ein Grund,
aus dem ich so gezögert hatte, mit der Polizei über meinen
Verdacht zu reden, war, dass ich Jimmie keine Scherereien
machen wollte.
»Wenn er nicht wirklich der Manager ist«, sagte Parry,
»warum ist er dann da, eh? Vielleicht macht er einen anderen Job, von dem Sie nichts wissen.«
»Er ist als Strohmann da, sonst nichts!«, beharrte ich. »Er
tut den ganzen lieben langen Tag überhaupt nichts außer
fernsehen und Zeitungen lesen.«
Susie kam mir zu Hilfe. »Fran hat recht mit dieser Pizzeria. Ich arbeite ebenfalls dort – erst seit ein paar Tagen zwar,
aber wenigstens einer der Angestellten macht krumme Dinger. Ich hatte eine Verabredung mit dem Barmann.«
Sie berichtete von dem Telefonat, das Luigi geführt hatte,
und ich konnte erkennen, dass sie sich dafür interessierten.
Sie schauten sich mehrmals vielsagend an. Die Morgan
klopfte mit dem Ende ihres Kugelschreibers auf den Tisch.
Parry schwieg. Beide sahen mich an.
Ich wurde noch nervöser, weil der Augenblick für mein
großes Geständnis gekommen war: dass ich auf dem Bahnsteig gewesen war und gesehen hatte, wie Ion vor den Zug
gefallen war. Ich holte tief Luft und legte los. Ich betonte,
dass ich definitiv nicht gesehen hatte, wie es zu diesem Sturz
gekommen war.
In diesem Augenblick kamen die Schinkenbrötchen, was
ein Glück war, weil Morgans Gesicht schon dunkelrot angelaufen war und ich sehen konnte, dass sie jeden
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