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Granger Ann - Varady - 05

Titel: Granger Ann - Varady - 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Und hute dich vor deinen Feinden AEA4CEC7
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konnte den Boden nicht erkennen, doch der Lichtkegel erfasste die Brüstung eines geschwungenen Balkons.
»Das ist der Kinosaal«, erklärte Susie. »Von hier oben
konnten wir alles beobachten, was dort unten vor sich ging.
Wir wechselten uns ab, Rennie und ich. Wir saßen hier oben
und warteten darauf, dass dieser Typ auftauchte und anfing,
Zeug auszubauen. Vierundzwanzig Stunden, sieben Tage
die Woche, aber wir haben die Beweise erbracht. Rennie hat
Fotos von ihm geschossen, wie er das Zeug in einen Lieferwagen verfrachtet hat. Er hat sich über die Brüstung oben
auf dem Dach gelehnt und ihn fotografiert. Das war ein guter Auftrag.«
»Du hast ganz allein hier oben gesessen und Nachtwache
gehalten?«, ächzte ich erschrocken.
»O nein, ganz bestimmt nicht! Rennie hat die Nachtschichten übernommen und den größten Teil der Tagschichten außerdem. Ich habe immer nur ein oder zwei Stunden
mittags gemacht, damit Rennie nach Hause konnte, sich duschen und etwas essen. Er hat sogar hier oben geschlafen. Er
hatte einen Schlafsack dabei. Er brachte sich jeden Tag Sandwichs mit. Wie daheim und doch nicht daheim, nannte er
es.«
Susie seufzte sentimental. »Es waren gute Zeiten, Fran.
Rennie und ich, wir haben gut zusammengearbeitet. Wir
waren ein Team.«
Ihre Stimme wurde verträumt. »Na ja, wie dem auch sei,
ich hatte nichts dagegen, während des Tages ganz allein hier
oben zu sein und aufzupassen. Verstehst du, ich hatte das
Gefühl, das alte Kino zu kennen. Meine Mutter hat hier als
Kartenabreißerin gearbeitet – damals, in der Hochzeit des
Kinos. Sie war sechzehn, als sie hier anfing, und sie hat mir
alles darüber erzählt.«
Susie brach ab. Von irgendwo über unseren Köpfen ertönte ein unheilvolles Knarren und Knirschen. Es wiederholte sich.
»Susie, der Fahrer!«, flüsterte ich. »Er ist oben auf dem
Dach!«
»Oben auf dem Dach ist nicht hier unten!«, erwiderte sie
mit jenem Optimismus, der so typisch war für sie und mich
allmählich irritierte. Doch sie schaltete ihre Taschenlampe
aus. »Er kann nicht endlos dort oben herumwandern. Die
ganze Konstruktion ist baufällig. Er wird Angst vor einem
Unfall haben. Wenn er sich ein Bein bricht, hängt er fest.
Die Zeit arbeitet gegen ihn. Draußen ist es inzwischen hell,
und er wird sicher nicht viel länger warten wollen und riskieren, dass irgendjemand seinen Laster entdeckt. Wenn er
uns dort oben nicht sieht, gibt er auf und geht. Vertrau
mir«, zischte sie.
Ich hatte keine große Wahl. Wir hörten ein paar weitere
Schritte; dann kehrte Stille ein.
»Er ist weg«, flüsterte Susie. »Wir warten sicherheitshalber noch eine Weile und geben ihm genügend Zeit zu verschwinden.« Sie schaltete ihre Taschenlampe wieder ein und
leuchtete über meine zusammengekauerte Gestalt. »Komm
schon, Kopf hoch.« Als ich nur grunzte, fuhr sie fort: »Ich
wünschte, du hättest dieses Kino in seinen besten Zeiten gesehen. So, wie Mum es gesehen hat. Damals war es der
reinste Palast. Die Sitze waren mit rotem Plüsch bezogen.
Sämtliche Verzierungen und Schnitzereien waren vergoldet.
Es gab eine Kino-Orgel. Sie wurde aus dem Boden hochgefahren, bevor die Show anfing, und ein Organist spielte vor
sich hin, was das Zeug hielt. Er spielte die Hits von damals,
Stücke wie den Donauwalzer, die jeder kannte. Dann gingen
die Lichter langsam aus, und er versank wieder im Boden.
Die wunderschönen Samtvorhänge vor der Leinwand glitten
raschelnd zur Seite, und alle setzten sich auf ihre Plätze.
Man konnte die Erwartung der Zuschauer förmlich spüren,
hat Mum erzählt. Die Leinwand zeigte einen großen Messinggong und einen Muskelmann, der ihn mit dem Hammer schlug. Mein Großvater hat erzählt, der Typ, der den
Gong geschlagen hat, wäre Bombardier Billy Wells gewesen,
ein Boxer der damaligen Zeit. Ich weiß nicht, ob es stimmt
oder nicht. Es war jedenfalls, als wäre man in eine magische
Welt eingetaucht, hat Mum immer erzählt. Sie hat sämtliche
Filme gesehen, immer und immer wieder, musste sie ansehen, doch es hat ihr nichts ausgemacht. In den Pausen gingen die Lichter wieder an, und knutschende Pärchen trennten sich rasch, und Mum ging mit ihrem Bauchladen voll
Eiskrem und kleinen Dosen mit Orangensaft durch die Reihen. Sie hatte eine richtig schicke Uniform mit einem kleinen Hut.
Später ging es mit dem Kino immer weiter bergab. Die
Zuschauerzahlen sanken, als das Fernsehen modern wurde.
Davor hatten die Menschen um den ganzen Block herum
für Karten

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