Grant County 03 - Dreh dich nicht um
Bisswunde an ihrer Brust gesehen?«
»Ja«, sagte er. »Ich habe die Fotos gesehen. Ich habe es gesehen.« Er schüttelte den Kopf, als wünschte er, er hätte das alles nicht gesehen.
»Glaubst du wirklich, dass Lena Chuck umgebracht hat?«
»Am Tatort gibt es keine Verbindung zu White«, sagte er.
»Dafür haben wir ihre blutigen Fingerabdrücke auf der Mordwaffe. Aber, mein Gott, glaubst du, ich sehe sie gerne so?«
»Vielleicht war es Notwehr.«
»Das hat der Richter zu entscheiden«, sagte Jeffrey. Auch wenn es hart klang, Sara wusste, dass er Recht hatte. »Ich darf meine Gefühle meinen Beruf nicht beeinflussen lassen, und du auch nicht.«
»Wahrscheinlich bin ich nicht so professionell wie du.«
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Achtzig Prozent aller Frauen, die vergewaltigt wurden, werden irgendwann in ihrem Leben noch einmal vergewaltigt«, sagte sie. »Wusstest du das?«
Jeffrey zuckte die Schultern und hob die Hände. »Hast du nicht gehört«, fragte er so scheinheilig, dass Sara ihn hätte ohrfeigen können, »sie wurde nicht vergewaltigt. Sie ist gestürzt.«
Sara öffnete schwungvoll die Tür, sie wusste, dass sie kein Wort mehr mit ihm reden konnte. Auf dem Weg in die Leichenhalle spürte sie Jeffreys Blick, als er ihr in einigem Abstand folgte. Sie wartete nicht auf ihn.
Sie ging zu den Röntgenbildern, ohne die Filme richtig zu sehen. Sara schloss die Augen und verdrängte Tessa und Lena aus ihren Gedanken, verbannte Ethan White aus ihrem Kopf. Als sie das Gefühl hatte, einigermaßen wieder im Gleichgewicht zu sein, öffnete sie die Augen und stellte sich an den Untersuchungstisch.
Chuck Gaines war ein großer Mann mit breiten Schultern und behaarter Brust. An den Armen waren keine Verteidigungsspuren zu sehen, er war also überrascht worden. Sein Hals klaffte leuchtend rot auf, Arterien und Sehnen hingen heraus wie Zweige an einem Ast. Sie konnte bis zu den Halswirbeln sehen. Einer davon hatte sich aus seiner normalen Position gelöst.
»Ich habe ihn vorhin mit Schwarzlicht abgeleuchtet«, sagte Sara. Schwarzlicht brachte Körperflüssigkeiten zum Vorschein und zeigte, ob die Person vor kurzem Geschlechtsverkehr gehabt hatte. »Er ist sauber.«
Jeffrey erwiderte: »Vielleicht hat er ein Kondom benutzt.«
»Hast du am Tatort eins gefunden?«
»Lena hätte es verschwinden lassen können.«
Wütend zerrte Sara die Lampe herunter. Sie fokussierte das Licht, um die Umgebung der Wunde besser sehen zu können. »Der Täter scheint erst gezögert zu haben«, sagte sie und zeigte auf einen kleinen Kratzer, der die Haut nicht verletzt hatte. Wer Chuck die Kehle aufgeschnitten hatte, hatte mindestens zwei Versuche gebraucht.
»Was bedeutet«, schloss Jeffrey, »dass der Täter nicht sehr stark war.«
»Man muss ziemlich stark sein, um durch Knorpel und Knochen zu schneiden«, gab Sara zurück. Sie ärgerte sich, dass er alles im Sinne seiner Theorie auslegte, aber sie wollte nicht vor Frank weiter streiten. Wahrscheinlich wollte Jeffrey Frank genau aus diesem Grund dabei haben.
Sie fragte: »Habt ihr die Waffe?«
Jeffrey hielt eine durchsichtige Tüte hoch. Darin lag ein blutiges Jagdmesser mit einer fünfzehn Zentimeter langen Klinge. Er sagte: »Wir haben die leere Scheide in ihrem Schlafzimmer gefunden. Das Messer passt genau rein.«
»Nach etwas anderem habt ihr nicht gesucht?«
Jeffrey ließ sich nicht beirren. »Wir haben ihre Wohnung und Whites Zimmer durchsucht. Das war das einzige Messer.« Er fügte hinzu: »Die einzige Waffe.«
Sara sah sich das Messer an. Die Klinge war auf einer Seite gezahnt und auf der anderen geschliffen. Auf dem Griff war schwarzes Pulver, wo man die Fingerabdrücke genommen hatte. Sara konnte den schwachen Umriss der blutigen Abdrücke sehen. Ansonsten war nicht viel Blut an dem Messer. Entweder hatte der Mörder die Waffe abgewischt, oder Jeffrey hatte das falsche Messer. Sara hatte bereits eine Meinung dazu, doch sie wollte erst ganz sicher sein, um etwas Definitives sagen zu können.
Sara zog sich zwei Paar Handschuhe über. Die einzige andere Wunde an der Leiche war eine Stichwunde oberhalb der rechten Brust. Die Öffnung war groß genug für das Messer, das Jeffrey gefunden hatte, doch die Kanten passten nicht recht zu der Zahnung der Klinge. Chucks Mörder hatte ihm wahrscheinlich einen Schnitt durch die Kehle versetzt und anschließend in die Brust gestochen. Der Winkel der Stichwunde sprach dafür, dass der Täter über dem Opfer gestanden
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