Grant County 03 - Dreh dich nicht um
rieb sich die Augen. Zwei Selbstmorde in zwei Tagen waren schon vorgekommen, doch Tessas Überfall warf auf alles einen finsteren Schatten.
»Ich habe gerade mit Brian Keller gesprochen, Andy Rosens Vater.«
»Sein Stiefsohn?«
»Nein, hat den Namen seiner Mutter angenommen.« Als er Franks Verwirrung bemerkte, sagte er: »Frag nicht. Keller ist sein biologischer Vater.«
»Aha«, sagte Frank, doch der verwirrte Ausdruck wich nicht von seinem Gesicht. Einen Moment lang wünschte Jeffrey, Lena an Franks Stelle hier zu haben. Frank war kein schlechter Cop, doch Lena hatte mehr Intuition, und sie und Jeffrey waren ein gutes Team gewesen. Frank war ein Ermittler der alten Schule, große Geistesblitze durfte man von ihm nicht erwarten.
Jeffrey warf einen Blick durch die Schwingtür in die Küche, um sicher zu stellen, dass ihnen keiner zuhörte. »Richard Carter hat gesagt – «
Frank schnaubte. Jeffrey wusste nicht, ob Frank damit Richards sexuelle Orientierung oder sein unerträgliches Gehabe meinte. Das Letztere hätte Jeffrey gelten lassen.
Jeffrey sagte: »Carter hat Gerüchte gehört. Keller hätte angeblich eine Affäre mit einer Studentin.«
»Verstehe«, sagte Frank, doch sein Tonfall drückte das Gegenteil aus.
»Ich will, dass du dich ein bisschen umhörst. Finde alles über Keller heraus. Mal sehen, ob an der Sache was dran ist.«
»Du meinst, sein Sohn hat von der Affäre Wind bekommen, und der Vater hat ihn kaltgestellt, damit seine Frau nichts erfährt?«
»Nein«, sagte Jeffrey. »Carter sagt, seine Frau hätte davon gewusst.«
»So weit man der Schwuchtel glauben kann.«
»Halt den Mund, Frank«, fuhr Jeffrey ihn an. »Wenn Keller eine Affäre hatte, könnte das ein Grund für den Selbstmord sein. Vielleicht konnte sein Sohn ihm nicht vergeben und ist von der Brücke gesprungen, um ihn zu bestrafen. Heute Morgen haben sich die Eltern gestritten. Jill Rosen hat zu Brian Keller gesagt, er hätte sich nicht um Andy gekümmert, als er noch am Leben war.«
»Vielleicht war sie nur zickig. Du weißt doch, wie Frauen sind.«
Jeffrey ließ sich gar nicht erst darauf ein. »Jill Rosen schien einen ziemlich klaren Kopf zu haben.«
»Du meinst, sie hat’s getan?«
»Was hätte sie davon?«
»Keine Ahnung.«
Jeffrey starrte in den Kamin und wünschte, er könnte mit Lena oder mit Sara über die Sache sprechen. »Ich habe eine Klage am Hals, wenn ich Dreck aufwühle und der Junge sich am Ende doch selbst umgebracht hat.«
»Da hast du Recht.«
»Finde raus, ob Keller zur Tatzeit wirklich in Washington war. Und hör dich diskret auf dem Campus um. Ich will wissen, ob an dem Gerücht was dran ist.«
»Die Flüge sind leicht zu überprüfen«, sagte Frank und holte sein Notizbuch vor. »Und nach der Affäre kann ich mich auch umhören, auch wenn die Kleine dafür besser geeignet wäre.«
»Lena ist nicht mehr bei der Polizei, Frank.«
»Sie könnte uns helfen. Sie ist auf dem Campus. Wahrscheinlich kennt sie ein paar Studenten.«
»Aber sie ist keine Polizistin.«
»Schon, aber – «
»Nichts aber.« Lena hatte gestern in der Bibliothek gezeigt, dass sie nicht daran interessiert war zu helfen. Jeffrey hatte ihr reichlich Gelegenheit gegeben, mit Jill Rosen zu sprechen, doch Lena hatte dichtgemacht und der Frau nicht einmal Trost gespendet, als diese ihn gebraucht hätte.
Frank sagte: »Was ist mit der Schaffer? Was hat sie mit der Geschichte zu tun?«
»Da ist dieses Bild«, begann Jeffrey und beschrieb Frank die Zeichnung, die bei den Keller-Rosens im Wohnzimmer hing.
»Die Mutter hat sich so was aufgehängt?«
»Sie war stolz auf ihn«, erklärte Jeffrey. Seine eigene Mutter hätte ihn garantiert windelweich geprügelt und das Bild kurzerhand abgefackelt. »Beide Eltern sagten aus, dass der Junge keine Freundin gehabt hat.«
»Vielleicht hat er ihnen nur nichts davon erzählt«, überlegte Frank.
»Schon möglich«, stimmte Jeffrey zu. »Aber wenn Ellen Schaffer und Andy was miteinander hatten, warum hat sie ihn gestern nicht erkannt?«
»Er lag mit dem Arsch nach oben«, sagte Frank. »Wenn Carter ihn nicht erkannt hätte, das wäre was anderes.«
Jeffrey sah Frank drohend an.
»Schon gut.« Frank hob die Hände. »Sie war eben durcheinander. Er lag fünfzehn Meter unter ihr. Was konnte sie da groß erkennen?«
»Stimmt«, gab Jeffrey zu.
»Glaubst du, es war so eine Art Selbstmordpakt?«
»Dann hätten sie’s zur selben Zeit getan, nicht an zwei verschiedenen Tagen«,
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