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Grant County 03 - Dreh dich nicht um

Grant County 03 - Dreh dich nicht um

Titel: Grant County 03 - Dreh dich nicht um Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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lockern, zog sie die Schultern bis zu den Ohren hoch. Ihr Körper war gespannt wie eine Stahlfeder, und Lena verstand nicht, weshalb Eileen darauf beharrte, dies sei der wichtigste Teil der Stunde. Das ganze Wohlgefühl des Dehnens löste sich in Luft auf, sobald die Musik leise gedreht wurde und sich alle auf den Rücken legen und gleichmäßig atmen mussten. Statt eines fließenden Stroms oder der rhythmischen Wellen eines Ozeans stellte sich Lena eine tickende Uhr vor und all die Dinge, die sie heute, an ihrem einzigen freien Tag, zu tun hatte.
    »Atme«, erinnerte Eileen sie mit ihrer unerträglich heitergelassenen Stimme. Die Frau war um die fünfundzwanzig und hatte ein so sonniges Gemüt, dass Lena ihr am liebsten eine gepfeffert hätte.
    »Mach den Rücken locker«, raunte Eileen schmeichlerisch. Lena riss die Augen auf, als sie plötzlich Eileens Hand auf dem Bauch spürte. Unter der Berührung erstarrte Lenas Körper erst recht, doch die Lehrerin schien davon nichts mitzubekommen. »Schon besser«, lobte sie lächelnd.
    Lena wartete, bis die Frau zum Nächsten weitergegangen war, bevor sie die Augen wieder schloss. Dann öffnete sie den Mund und ließ die Luft entweichen. Langsam überkam sie das Gefühl, es könnte doch noch funktionieren, doch da klatschte Eileen auch schon in die Hände und rief: »Schluss für heute.«
    Lena sprang so schnell auf die Füße, dass ihr schwindelig wurde. Die anderen Studenten lächelten einander benommen an oder umarmten die charmante Lehrerin, doch Lena schnappte sich ihr Handtuch und stürzte hinaus in die Umkleidekabine.
    Erleichtert stellte sie fest, dass sie den Raum für sich hatte. Sie betrachtete sich im Spiegel. Seit der Vergewaltigung hatte Lena aufgehört, sich anzusehen, doch aus irgendeinem Grund hatte sie heute das Bedürfnis danach. Unter den Augen hatte sie dunkle Ringe, ihre Wangenknochen standen noch stärker hervor als sonst. Sie wurde immer dünner, weil ihr in letzter Zeit schon der bloße Gedanke an Essen Übelkeit bereitete.
    Sie zog das Haarband ab und ließ sich die langen braunen Strähnen ins Gesicht und in den Nacken fallen. So fühlte sie sich sicherer – wenn sie das Haar wie einen Vorhang trug. Wenn sie niemand ansehen konnte.
    Als jemand hereinkam, hastete Lena zu ihrem Schrank. Es war ihr peinlich, vor dem Spiegel ertappt worden zu sein. Vor ihr stand ein junger Mann, der seinen Rucksack aus dem Spind direkt neben dem ihren holte. Er war so nah, dass Lena eine Gänsehaut bekam. Sie drehte sich um und griff nach ihren Schuhen. Die konnte sie genauso gut draußen anziehen.
    »Hallo«, sagte er.
    Er verstellte ihr den Weg zur Tür. Lena wartete.
    »Immer das mit dem Umarmen«, sagte er kopfschüttelnd, als hätten sie darüber schon öfter gelacht.
    Lena musterte ihn, sie wusste, dass sie mit diesem Kerl noch nie geredet hatte. Für einen Mann war er ziemlich klein, kaum größer als sie selbst. Sein Körper war drahtig, unter dem langärmeligen schwarzen T-Shirt zeichneten sich muskulöse Arme und Schultern ab. Sein Haar war kurz geschoren, und er trug so knallgrüne Socken, dass es fast in den Augen wehtat.
    Er streckte ihr die Hand entgegen. »Ethan Green. Ich bin seit ein paar Wochen dabei.«
    Lena setzte sich auf die Bank und zog die Schuhe an.
    Ethan ließ sich auf dem anderen Ende nieder. »Du heißt Lena, oder?«
    »Weißt du das aus der Zeitung?«, knurrte sie, während sie versuchte, den Schnürsenkel aufzuknoten. Der verdammte Artikel über sie und Sibyl letztes Jahr machte ihr das Leben noch schwerer, als es schon war.
    »Nein, nein, nein«, sagte er hastig. »Das heißt, doch, ich habe von dir gehört, aber Eileen hat dich Lena genannt, und da habe ich eins und eins zusammengezählt.« Er lächelte nervös. »Und ich habe dich von dem Foto erkannt.«
    »Schlaues Kerlchen«, sagte sie und ließ die Schnürsenkel los. Sie stand auf und versuchte, so in den Turnschuh zu schlüpfen.
    Auch er stand auf. Im Yoga waren immer drei oder vier Jungs, die im Umkleideraum davon schwafelten, wie sie durch Yoga eins mit ihren Gefühlen und ihrem inneren Wesen würden und so weiter. Yoga war die neueste Anmache, und Lena schätzte, dass männliche Yoga-Schüler mehr Frauen abbekamen als alle anderen.
    Sie sagte: »Ich muss los.«
    »Warte mal«, rief er mit einem kleinen Lächeln. Er sah gut aus, wahrscheinlich war er es gewohnt, dass die Frauen ihm zu Füßen lagen.
    »Was?« Sie sah ihn ungeduldig an. Eine kleine Schweißperle rollte an

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