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Grappa 02 - Grappas Treibjagd

Grappa 02 - Grappas Treibjagd

Titel: Grappa 02 - Grappas Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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Couch zu legen?«
    »Nein, denn dieses Defizit wird wieder ausgeglichen durch den ungewöhnlich lustvollen Konsum versalzener und fast verkohlter Thüringer Bratwürste!«, räumte er ein.
    Wir blödelten weiter. Und wenn er sich dabei nicht die ganze Zeit in den Zähnen gepuhlt hätte, um eingeklemmte Stücke toten Rinds rauszufummeln, hätte ich ihn fast sympathisch gefunden.

Was in Märchen alles drinsteckt
    Der mittelgroße Saal im Bierstädter Kongresszentrum, einem ehrgeizigen übergroßen Wirtschaftsförderungsprojekt, fasste etwa 200 Menschen. Parkett-Fußboden und gepolsterte Bestuhlung, indirektes Licht, gute Beschallung. Der Saal war immerhin halb gefüllt mit meist weiblichen Zuhörern. Noch tuschelten und lachten sie, wie Frauen meistens kichern, wenn sie im Rudel auftreten. Die hier freuten sich auf ihre Fortbildungsmaßnahme. Auf einer kleinen Empore aus mobilen Teilen war ein Stehpult aufgebaut, ein geschickt angebrachter Halogen-Spot würde den Referenten in wenigen Minuten mit gleißendem Licht umhüllen. Am Empfang hatten schmale Handzettel gelegen, die eigens vom Veranstalter, der Bildungsgemeinschaft »Kultur ist Leben«, gedruckt worden waren. Ellenbogens Vita wurde darin als »außergewöhnlich brillant« und »sozial engagiert« beschrieben, als »im Geiste der christlichen Soziallehre handelnd«. Dieser Mann ist nicht nur Katholik, so hieß es da, sondern er lebt uns das Christentum vor. Unter dem Foto des Doktors stand: Einer der besten Köpfe in unserer Stadt. Es war der gelungene Schuss eines Profi-Fotografen: Der Hintergrund verschwommen in mittlerem Grau, der Kopf des Professors im Halbprofil. Der Mund lächelte, doch die Augen waren kalt. Das Haar sorgfältig zurückgelegt, die beginnenden Geheimratsecken mit Retusche aufgefüllt. Die schmalgestreifte Fliege versuchte leidlich, dem Foto noch einen modernistischen Pfiff zu geben. Ein nettes Bild alles in allem, würde gut auf einen Steckbrief passen, dachte ich.
    Ich musste verrückt sein, mich auf einen Kampf mit ihm einzulassen. Dieser Mann ein Mörder? Wer, verdammt noch mal, würde mir glauben? Wenn er ein Penner oder ein Langzeitarbeitsloser gewesen wäre oder ein Asylbewerber, das hätte die Chose vereinfacht. Sie allerdings auch langweiliger gemacht. Der Mensch wächst schließlich mit seinen Aufgaben, beruhigte ich mich, lieber diese promovierte Lichtgestalt zu Fall bringen als jemanden, der sowieso nie eine Chance im Leben gehabt hatte.
    Meine Stimmung schwankte zwischen Angst und Trotz. Mir wurde flau im Magen, die Thüringer meldete sich zurück.
    Die devote Erwartungshaltung der kichernden Kindergartentanten und die schwere gediegene Düsternis im Saal brachten mich psychisch in eine unschöne Lage.
    Es half alles nichts, ich musste da durch. Laura war tot, und hier gab es die heiße Spur für mich. Die einzige Spur. Halbgott oder Arschloch – vor dem Gesetz, vor Gott und vor dem Journalismus waren alle gleich.
    Ich musste nur noch eben kurz und kräftig meinen Killerinstinkt mobilisieren. Doppelzüngiger Wichser, schimpfte ich mir innerlich vor, faltet die Hände in Sankt Sowieso und drückt Laura ein Kissen ins Gesicht. Mimt den liebenden Familienvater und geht fremd. Beichtet wahrscheinlich anschließend noch und macht dann weiter. Bescheißt seine Frau und den Pfarrgemeinderat, von dem lieben Gott ganz zu schweigen, aber der sieht ja sowieso alles. Deckt wahrscheinlich sogar diesen Kinderschänder Onkel Herbert, sonst hätte er die Engler nicht erpresst, damit sie ihm die Akte Bartusch klaut.
    Es genügte. Mir wurde heiß vor Wut und kalt vor Entschlossenheit.
    »Wir sitzen zu weit hinten, wir setzen uns in die erste Reihe«, befahl ich Lämmchen, der gerade eifrig den Prospekt studierte. Er hatte von meinem inneren Kampf nichts mitbekommen. »Ganz nach vorne?«, hakte er erschrocken nach.
    »Na klar, wenn wir schon hier sind, soll der Kerl uns auch sehen, sonst hätten wir uns den Zauber sparen können. Also ran!«
    »Können Sie nicht alleine gehen?«, fragte er ängstlich.
    »Sie sind mir vielleicht eine Hilfe!«, blaffte ich ihn an. Ich wartete, doch er machte keine Anstalten, seinen Hintern vom Stuhl zu lupfen.
    »Ist auch recht, Sie Feigling. Wohl Angst um die netten kleinen Nebenverdienste, die der Herr Professor ab und zu mal verschafft, was?«
    Ich wartete seinen Protest nicht ab, sondern ging nach vorn. Gerade hatte ich mich zehn Meter den Mittelgang hinunter bewegt, als Ellenbogen hinter dem Vorhang

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