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Grappa 02 - Grappas Treibjagd

Grappa 02 - Grappas Treibjagd

Titel: Grappa 02 - Grappas Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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Fußgänger. Die beiden Männer standen da und guckten.
    »Hallo«, sagte ich und hatte meinen Presseausweis in der Hand, »Maria Grappa vom ›Tageblatt‹. Was haben Sie denn da gerade wieder versaut?«
    »Rufen Sie unsere Pressestelle im Präsidium an«, antwortete einer, »wir geben keine Auskünfte. Und schon gar nicht auf offener Straße!« Der Ärger über die misslungene Festnahme und meine Anfrage ließ seine Polizistenstimme fast nett klingen.
    »Dann noch einen schönen Tag!«, wünschte ich den beiden. Ich überlegte. Hatten die Bullen doch spitz gekriegt, dass über das Postlagerfach Kinderporno-Kontakte abgewickelt werden. Leider hatten die beiden die Sache vermasselt. Onkel Herbert würde künftig kein Kunde mehr bei der Post sein, dachte ich. Er würde sich was Neues überlegen müssen.

Besuch im Porno-Studio
    Den Besuch bei Beate Bartuschs Eltern, die im Norden von Bierstadt wohnten, hatte ich immer wieder hinausgezögert. Was konnte ich mit Leuten reden, die ihr eigenes Kind missbraucht und anschließend jahrelang weiterverkauft hatten, damit irgendwelche perversen Schweine sich daran abreagieren konnten? Würden sie sich schuldig fühlen? Reue zeigen? Ich hatte keinen blassen Dunst.
    Die Straße, in der Bartuschs wohnten, befand sich hinter dem Bierstädter Bahnhof in einer Gegend, die von der Stadtsanierung bislang vergessen worden war. Das Haus lag in Sichtweite einer stillgelegten Kokerei, deren mächtiger Holzturm sogar Industriedenkmal werden sollte. Vermutlich weil der Abriss zu kostspielig war. Der Turm überragte alles, die Mietskasernen lagen geduckt um ihn herum. Geschwärzte Fassaden durch die jahrzehntelangen Rußwolken, eine Straße so finster wie die andere – Achenbachstraße hieß eine von ihnen und Vöglerweg eine andere.
    Der erste Name hatte wohl was mit dem Minister zu tun, nach dem eine Zeche in der Nachbarstadt benannt war, und Albert Vögler war ein reaktionärer Stahlboss gewesen, der Adolf Hitler an die Macht gebracht hatte. Ich hatte vor einigen Jahren das Leben und die Untaten von diesem Vögler recherchiert und in einer Artikelserie verarbeitet, denn es gab nicht nur diesen Vöglerweg in unserem rot regierten Bierstadt, sondern auch ein Albert-Vögler-Haus im Besitz des Westfälischen Industrieklubs.
    Ich lachte auf, als ich an die Story zurückdachte. Antifaschisten hatten den Industriebrüdern nach meiner Artikelserie richtig schön Feuer unterm Hintern gemacht und vor dem Vögler-Haus ein paar Stellwände aufgestellt. Heute hieß der Marmorkasten nur noch »Haus des Westfälischen Industrieklubs«. War ja auch ein schöner Name, der wenigstens keinen Zweifel daran ließ, dass sich in ihm Geld und Macht die Hand gaben.
    Die Bartuschs wohnten in der Duisberg-Straße. Das war auch so ein Strolch gewesen. Als Gründer der IG Farben und Chef der Bayer-Werke hatte Duisberg Nervengas an Zwangsarbeitern getestet und darüber einen launigen Briefwechsel mit Herrn Hindenburg geführt. Die Soldaten im Ersten Weltkrieg dürften wesentlich weniger Spaß an dem neuen Industrieprodukt gehabt haben als die beiden Herren.
    Ich hatte das Haus erreicht. Im Vorgarten kränkelten Geranien, und eine schlaffe Sonnenblume wurde von einem grob geschnitzten Stock aufrecht gehalten. Die drei Treppen zur Haustür waren heruntergebrochen und mit Mörtel ausgebessert worden. Hoffentlich ist keiner da, flehte ich innerlich. Ich schellte.
    Doch niemand hörte mein Flehen, und es kam jemand zur Tür geschlurft. »Wer's en da?«, gellte es mir entgegen.
    »Maria Grappa vom ›Bierstädter Tageblatt‹«, gellte ich beherzt zurück und setzte noch nach, »ich bin wegen Ihrer Tochter Beate hier.«
    »Beate is' nich' da«, kam es merklich leiser zwischen den Türspalten hindurch.
    »Ich weiß, sie lebt im Heim. Ich will ja auch mit Ihnen reden.«
    »Wir ham nix zu sagen …«
    »Ach ja? Da bin ich aber anderer Meinung. Also, lassen Sie mich nun rein oder nicht?«
    »Hau'n Sie ab«, sagte die Stimme, die nicht als männlich oder weiblich zu identifizieren war.
    »Nein«, beharrte ich. »Ich bleibe. Wir können uns auch gern durch die Tür unterhalten, dann können Ihre Nachbarn gleich mithören. Wann ist die Beate von ihrem Vater zum ersten Mal vergewaltigt worden?«
    Den letzten Satz hatte ich mit erhobener Stimme gesprochen, so, als wolle ich auf dem Bierstädter Wochenmarkt ein ganz besonders günstiges Angebot anpreisen.
    Jetzt ging die Tür ziemlich schnell auf. Die Stimme gehörte einer Frau in

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