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Grappa 02 - Grappas Treibjagd

Grappa 02 - Grappas Treibjagd

Titel: Grappa 02 - Grappas Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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einem graurosa gesteppten Morgenmantel. »Ich bin noch nich' angezogen«, murmelte sie.
    »Das stört mich überhaupt nicht«, meinte ich großzügig und drückte die Tür weiter auf. Das also war Beates Mutter, die Frau, die zugesehen hatte, wie ihr eigenes Kind verkauft worden war wie ein Stück Fleisch auf dem Sklavenmarkt.
    Doch ihr Anblick machte mich nicht wütend, sondern eher betroffen. Ein zerstörtes Gesicht, ein verbrauchter Körper. Eine schlaffe Brust klaffte aus dem notdürftig zusammengehaltenen Steppmantel, die nackten Füße steckten in breiten Latschen. Die Haare waren durch die ausgiebige Bekanntschaft mit Wasserstoffsuperoxyd strohig und fahl geworden. Im rechten Mundwinkel qualmte eine Zigarette vor sich hin.
    »Na sehen Sie, es geht doch, Frau Bartusch«, sagte ich gut gelaunt und ging an ihr vorbei in die Wohnküche. In der Pfanne lag eine Bratwurst, die bei kleiner Hitze den letzten Schliff bekam. Frau Bartusch hatte gerade Kartoffeln geschält und war von mir bei dieser Verrichtung gestört worden.
    Nichts in der Wohnung deutete darauf hin, welche Tragödie sich hier in den letzten Jahren abgespielt hatte. Besuche fremder Männer, die nach einiger Zeit zufrieden wieder gegangen waren, nachdem sie den Eltern ein paar Geldscheine in die Hand gedrückt hatten. Das arme Mädchen auf dem Kinderbett, hilflos und ohne Schutz den Taten dieser Schweine ausgeliefert, während die Mutter in der Küche ein deftiges Abendessen vorbereitete.
    Ich schaute mich um. Natürlich war dies keine Luxuswohnung, aber auch keine Absteige. Die Gardinen hatten ein fröhliches Blumenmuster, die Fliesen in der Küche waren sauber, und es gab sogar eine Spülmaschine. An der Wand hing die Jahresgabe eines Bierstädter Autohauses, ein bunter Kalender mit den neuesten BMW-Modellen.
    »'tschuldigung, is' nich' aufgeräumt«, begann Frau Bartusch die Konversation.
    »Ich guck nicht so genau hin«, beruhigte ich sie und legte einen Unterrock beiseite, der sich auf einem Küchenhocker lümmelte. Ich setzte mich.
    »Woll'n Sie 'n Kaffee?«
    »Nicht nötig, Frau Bartusch. Ist Ihr Mann nicht da?« Die Erwähnung ihres Angetrauten schien ihre Laune nicht zu bessern.
    »Der is' beim Doktor.«
    »Ach, ist er krank? Was hat er denn?«
    »Asthma, hustet sich kaputt.«
    »Ich möchte Sie was zu Beate fragen …«
    Sie nickte. »Ham Sie ja eben schon gesagt.«
    »Wie fing das an mit Ihrem Mann und der Beate?«
    Sie schwieg.
    »Hat Ihr Mann einen Beruf?«
    »Früher ja. Doch dann kam das Asthma.«
    »Und da war er den ganzen Tag zu Hause?«
    Sie nickte und zog hastig an ihrem Glimmstängel. Dann wandte sie sich wieder ab und nahm ihr Kartoffelschälen wieder auf. Ich sah nur noch ihren Rücken und hörte das kratzende Geräusch des Messers.
    »Und Sie? Sie waren doch auch da! Haben Sie nichts gemerkt?«
    »Er sachte, die Kleine wollte es auch.«
    »Und Sie haben das geglaubt?«
    »Hab ich. Die Kleine konnte alles von ihm haben.«
    »Haben Sie nie was dagegen gemacht? Hat Beate nicht geweint?«
    »Sie hat geflennt, aber nur am Anfang. Als die anderen Männer dann kamen und Geld gaben, hat die Kleine auch gewollt, wegen der Geschenke.«
    »Frau Bartusch, Sie lügen. Warum haben Sie das zugelassen? So ein kleines Mädchen! Mit acht Jahren zur Nutte gemacht … durch die eigenen Eltern. Sie selbst, Frau Bartusch, sind auf den Filmen mit drauf, wie Sie der Kleinen sagen, was sie tun soll und wie sie es machen soll. Warum hassen Sie Ihre Tochter so?«
    Sie zuckte die Schultern. »Lassen Sie mich in Ruhe. Sie können glauben, was Sie wollen!«
    Es hatte keinen Sinn. Die Frau nahm die Kartoffeln und spülte sie unter fließendem Wasser ab. Was hatte ich erwartet? Eine reuige Mutter, die – in Sack und Asche gehüllt – ihre Schuld beweint? Ich war ganz schön naiv!
    Als sich Frau Bartusch wieder umdrehte, sah ich, dass ihr Tränen die Wangen herunterliefen. Sie ging schnell zu der Ginflasche, die auf der Fensterbank stand, goss sich mit zitternden Händen ein und stürzte alles auf einmal hinunter.
    Ich wartete eine Weile und fragte dann: »Kann ich Beates Zimmer sehen?«
    Sie sagte nichts und schlurfte auf den Flur. Ich nahm dies als Aufforderung, ihr zu folgen. Sie öffnete die Tür zu einem kleinen Raum. Ein Teil sah aus wie ein normales Zimmer für Kinder in diesem Alter, mit Klebebildchen, Stofftieren und Puppen. In der Mitte allerdings stand ein großes Doppelbett. Ich schüttelte mich. Dies war also die Kulisse für die Streifen aus dem

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