Grappa 02 - Grappas Treibjagd
nur, weil es so abgemacht worden war. Ellenbogen hatte sicherlich nicht vor, sich kampflos als Mörder und Kinderschänder entlarven zu lassen. Dafür war der Sturz vom Sockel des gefeierten prominenten Bürgers ins Perverse und Kriminelle zu tief. Er würde sich also wehren, und dann konnte es gefährlich werden.
Die Mayo-Diät hatte mich vier meiner brasilianischen Pfunde gekostet, sodass ich mal wieder richtig kochen und essen durfte. Der Hefeteig für den Zwiebelkuchen war gerade zum dritten Mal gegangen, und ich konnte ihn auf dem Blech ausrollen. Dann die gebratenen Zwiebeln mit dem durchwachsenen angerösteten Speck drauf und alles noch mit der Bechamel-Soße mit Crême fraiche und geriebenem Pecorino bedecken. Ein oder zwei Zehen Knoblauch würden dem Ganzen noch das gewisse Etwas geben. Die beiden Flaschen Edelzwicker hatten inzwischen die richtige Kühle.
Ich puhlte gerade die Knofelzehen aus der papierenen Haut, als es schellte. Jansen kam sonst immer zu spät, heute war er zu früh. Schnell wusch ich die Knoblauchfinger und ging zur Tür. Ich drückte den Kopf für die untere Haustür und sagte in die Sprechanlage: »Fahr in den fünften und dann eine Treppe tiefer.« Niemand antwortete.
Merkwürdig. Ich drückte mich an die Wand. Wen hatte ich da eigentlich hereingelassen? Ich legte das Sicherheitsschloss vor und wartete. Mit klopfendem Herzen. Dann hörte ich die Fahrstuhltür schlurfen und schwer wieder zufallen: Mein Besucher musste sich erst orientieren. Ich hörte Schritte auf der Treppe. Es war nicht Peter Jansen mit seinem federnden Gang, sondern jemand, der sich bemühte, leise zu gehen. Dann stand der Besucher vor der Tür.
Ich rührte mich nicht und schob meinen Kopf zum Türspion. Es war ein Mann, der dort stand. Er trug einen großen Hut in die Stirn gezogen, sodass ich seine Augen nicht erkennen konnte. Nur die Haare eines dunklen Bartes glaubte ich zu bemerken. Langsam zog ich den Kopf wieder zurück und drückte mich in die Ecke. Ich bemühte mich, keinen Laut von mir zu geben. Der Mann drückte auf die Klingel. Ich zuckte zusammen, so laut erschien sie mir. Ich rief: »Momentchen!«, nahm einen Schal und schob ihn von unten vor den Türspion. In diesem Augenblick knallte es, und eine Kugel fetzte durch die Tür in meine Garderobe. Vor Schreck stieß ich einen lauten Schrei aus.
Ich hörte die Schritte weglaufen. Jemand sprang in den Fahrstuhl. Ich rannte ans Fenster und stellte mich hinter die Jalousette. Wenn er raus kam, würde ich ihn sehen können.
Da war er. Nicht besonders groß. Er bemühte sich, langsam zu gehen. Sein Trenchcoat war nicht neueste Mode. Von seinem Gesicht konnte ich nichts erkennen. Er hustete zweimal. Trocken und kurz. Es hörte sich nach Asthma an.
Mit den Augen verfolgte ich ihn vom 5. Stock. Sein Auto hatte er leider nicht direkt vor meinem Haus geparkt. Aber ich war sicher, dass er einen BMW in Blaumetallic fuhr.
Ich freute mich, dass ich mein rechtes Auge noch hatte – und mein Leben. Ich inspizierte die Garderobe. Nur nichts anfassen, wegen der Polizei. Oder – sollte ich lieber nichts sagen? Damit mir keine dummen Fragen gestellt wurden?
Ich würde mit Jansen darüber sprechen. Verdammt, warum kam der immer zu spät?
Langsam kroch mein Schock aus dem Gehirn in den Magen. Meine Knie zitterten. Noch nie hatte jemand auf mich geschossen und schon gar nicht auf eine solch hinterhältige Art. Doch der Anschlag bewies, dass ich die richtige Nase hatte. Wenn es wirklich Porno-Bartusch war, der mich eben besucht hatte, dann war es bestimmt nicht seine eigene Idee gewesen. Er war zu mir geschickt worden.
Mit einem Blopp öffnete ich den Edelzwicker, holte mein schönstes und ältestes Kristallglas aus dem Schrank und goss ein. »Auf deine Gesundheit, Maria«, prostete ich mir zu, »auf ein gesundes langes Leben. Auf Prinzessin Mausehaut, die mich ein großes Stück weitergebracht hat.«
Ich trank und guckte in den Backofen. Die Oberfläche des Zwiebelkuchens könnte noch etwas brauner sein! Besonders der Käse hatte noch nicht die richtige Farbe.
Es klingelte wieder. Ich lief zum Fenster und sah von oben Jansens Auto vor dem Haus stehen. Ich drückte auf.
»Hallo Maria«, sagte er entgeistert, als er oben war, »was ist denn hier los?« Er blickte auf die zerschossene Tür. »Wer um Himmels willen war das?«
»Jemand mit einem durchdringenden Blick!« Dann erzählte ich ihm die Geschichte.
Er hörte schweigend zu und meinte schließlich: »Müssen
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