Grappa 02 - Grappas Treibjagd
gewesen sein, doch was konnte er von mir gewollt haben? Überprüfen, ob sein Killer mich erwischt hatte?
Frau Sander jedenfalls hatte ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Es geht doch nichts über Nachbarn, denen nicht das Geringste entgeht.
Die nächsten drei Stunden hieb ich in die Tasten, mein Computer qualmte. Ich schrieb alles auf, was ich über Beate und ihr Leben wusste. Ich zitierte hemmungslos aus Lauras Akte, brachte »Onkel Herbert« ins Spiel und beschrieb ihn als gut betuchten Unternehmer aus Bierstadt, der im Verborgenen seinen perversen Neigungen frönt.
Ein Foto von Beate brachte ich nicht – ich hatte ja auch keins gemacht –, und ich nannte auch nicht ihren vollen Namen. Den Besuch bei Beates Mutter erwähnte ich allerdings, denn die Rolle der Eltern war wichtig. Mir gelang eine runde Sozialreportage über ein Kind, dem durch perverse und geldgierige Erwachsene die Kindheit gestohlen worden war.
Völlig ausgelaugt fiel ich ins Bett, nicht ohne vorher meine Wohnungstür zu verrammeln und ein paar leere Flaschen von innen davorzustellen. Leere Buntglas-Flaschen gab es in meiner Küche genug, denn ich war nicht nur passionierte Weintrinkerin, sondern auch hemmungslos bei der Getrenntmüllsammlung engagiert. Buntglas, Weißglas, Altpapier.
Das Telefon bugsierte ich schließlich in unmittelbarer Nähe meines Kopfkissens. Ich schlief erschöpft ein. In der Nacht passierte nicht das Geringste.
Drei Jungen und ein kleines Mädchen?
»Hier ist der Artikel!«, sagte ich zehn Stunden später zu Peter Jansen und legte ihm das ausgedruckte Manuskript auf den Tisch. Er schob mir eine Tasse der Berufsdroge Kaffee herüber und deutete auf einen Stuhl. Dann las er. Zwischendurch kritzelte er mit einem Bleistift Bemerkungen an den Rand des Textes. Ich wartete. »Schreiben kannst du ja«, sagte er schließlich, »besonders die Schilderung deines Besuches bei dem Kind ist Klasse. Bist du mit ihrer Mutter nicht zu hart umgegangen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Mein soziales Verständnis hört hier auf. Jahrelang hat sie geholfen, das Fleisch ihrer Tochter an den Meistbietenden zu verschachern, war sogar dabei, wenn sich die perversen Schweine auf sie gestürzt haben! Nein, irgendwann hätte sie eingreifen müssen!«
»Na gut, lassen wir es drin. Du hast ja auch die Namen nicht genannt. Aber – wir haben keine Bilder! Wie sollen wir den Text illustrieren?«
»Nimm irgendein Bild aus einem Buch zu dem Thema … oder, nein warte! Ich habe eine bessere Idee. Beate hat während der Therapie mit Laura gemalt, die Originale sind in Lauras Akte. Die nehmen wir und drucken sie ab! Und dazu noch ein harmloses Beispiel aus einem Lolita-Magazin. Mit den berühmten schwarzen Balken vor den Gesichtern, was meinst du?«
»Die Zeichnungen aus der Akte? Dann weiß aber doch jeder, dass wir die Akte haben!«
»Das ist der Sinn der Sache. Ellenbogen weiß, dass wir etwas haben, das er unbedingt ergattern will. Und der Polizei gegenüber stellen wir uns doof. Zeugnisverweigerungsrecht, du kennst die Nummer. Die Akte ist uns anonym zugespielt worden. Wir kopieren alles und händigen sie dann der Polizei aus, weil wir den Behörden keine Steine in den Weg legen wollen. Auch die Presse ist ja schließlich bemüht, die Ermittlungen der Polizei tatkräftig zu unterstützen.«
»Ganz schön clever. So könnte der Diebstahl der Akte vertuscht werden, und deine Weste bleibt weiß. Könnte klappen. Aber mach eine solche Sache nicht noch mal, Maria, das mache ich nicht mehr mit.«
»Nein, tut mir auch alles leid. Ich klaue sonst nie, aber es kam plötzlich über mich. Schick den Volontär zu meinem Bankschließfach, da ist alles drin, ich geb ihm den Schlüssel und eine Vollmacht.«
Peter Jansen pfiff das Nachwuchstalent bei Fuß und erklärte ihm die Lage. Er zog los und kam sich wichtig vor, weil Peter Jansen etwas von »geheim« gesagt hatte. Telefonisch informierte ich den Banker, der über mein überzogenes Konto wachte.
Nun konnte ich meinen Großangriff auf Jansen starten. »Wie viel Kinder hast du noch mal?«, fragte ich ihn wie nebenbei.
»Drei Jungs, 12 bis 15. Alle nach mir geschlagen.«
»Haben die ein verdammtes Glück! Wolltest du nie ein Mädchen haben?«
»Doch, aber es haute nicht hin. Meine Frau war ganz verrückt auf ein Mädchen. Fast hätte es geklappt, aber Gerda hatte eine Fehlgeburt. Die Kleine wäre jetzt 9. Aber warum interessierst du dich plötzlich für meine Familienverhältnisse? Willst du
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