Grappa 02 - Grappas Treibjagd
alleinreisende Junggesellen besonders geeignet. Familien empfehlen wir unsere anderen Hotels.
»Das ist eindeutig«, gab ich zu, »ein Puff für europäische Touristen. Junggesellen und täglicher Wäschewechsel!«
Anna Gerner nickte. Sie war eine kleine zierliche Frau, reichte mir gerade bis zur Schulter. Als Vorsitzende der »Initiative gegen den Sex-Tourismus« hatte sie sich mehr als einmal mit Reiseveranstaltern angelegt, die in »Bums-Bombern« die weißen europäischen Herren in die Dritte Welt flogen und sie drei Wochen später mit »Tripper-Clippern« wieder zu Hause abluden. Der Markt boomte. Kegelklubs und Männergesangvereine plünderten ihre Kassen und buchten zwei Wochen Thailand. Die Angst vor Aids wurde bereits im Flugzeug mit viel Alkohol betäubt.
»Das Zentrum der Kinderschändung ist allerdings Manila«, sagte Anna Gerner und goss mir Hagebuttentee nach. Ich hasse Hagebuttentee, stupste nur meine Zungenspitze rein und gab ein schlürfendes Geräusch von mir.
»Das sind die Einstiegsinserate«, erklärte Frau Gerner weiter und kramte das mir wohlbekannte Lolita-Magazin hervor. Für diese Ausgabe hatten sich die »Journalisten« dieses Blattes ein Schwerpunktthema einfallen lassen: Lolitas aus der Dritten Welt. Billig und willig – so war in einer Überschrift zu lesen. Ich studierte die Anzeigen:
Flug mit Singapore Airlines, Hotel, zehn verschiedene Lolitas, inklusive Essen und Stadtrundfahrt für nur 3600 Mark, zwei Wochen.
»So unverblümt geht man hier zur Sache?« Ich war sprachlos. »Was sagen denn die Behörden dazu? Die Polizei? Der Staat?«
Frau Gerner zuckte resigniert mit den Schultern. »Die Sex-Touristen bringen jedes Jahr Millionen in diese Länder! Wer also sollte etwas dagegen tun? Das nennt man freie Marktwirtschaft. Und die funktioniert nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage! Und die Nachfrage nach immer jüngeren und immer mehr Mädchen und Jungen steigt an! Und die Gewaltbereitschaft auch!« Sie zog einige Fotos aus einem Briefumschlag: »Schauen Sie! Das ist bei weitem noch nicht alles. In den letzten Jahren haben die Pädophilen eine Möglichkeit entdeckt, mit ihrem Hobby auch noch Geld zu machen. Viele von ihnen sind bereits in das Geschäft mit der Kinderpornografie eingestiegen. Mit Riesenprofiten. Die Kinder und ihre Schlepper werden mit ein paar Mark abgespeist, der Kunde bringt seine eigene Kamera mit, macht Aufnahmen von den Kleinen, verkauft sie anschließend unter seinesgleichen. Ganze Fotoserien sind da im Umlauf. Schauen Sie hier!«
Ich blickte auf das Farbfoto, das sie mir präsentierte: Ein geschmackloses rosa Hotelbett mit Plastikkopfteil, darauf ein kleiner Körper. Ein Mädchen lag dort, höchstens acht Jahre alt, die dünnen Armchen angewinkelt mit den Händen zum Kopf. Das schwarze lange Haar auf dem weißen Kissen um das Gesicht drapiert. Die dünnen Beinchen gespreizt. Das Kind schaute in die Kamera. Der Blick leer. Der Mund zu einem Lächeln verzerrt. Hingelegt wie ein Stück Fleisch, das dem Betrachter zur gefälligen Nutzung angeboten wird.
Ich spürte einen Kloß im Hals, als ich fragte: »Was sind das für Eltern, die so was zulassen?«
»Eltern?« Frau Gerner lachte trocken. »Diese Kinder leben auf der Straße. Die Eltern haben sie ausgesetzt oder einfach bei den Zuhältern abgegeben, weil sie sie nicht mehr ernähren können. Andere leben auch noch in den Familien und liefern das Geld zu Hause ab. So ernähren sie ihre Eltern und ihre Geschwister. Da gibt es kleine Dörfer, in die jeden Winter Touristen einfallen wie ein Heuschreckenschwarm. Die weißen Herren leben in den Hütten der Familien und vergewaltigen die Kinder sozusagen mit ›Familienanschluss‹. Wenn sie abreisen, sind die Krankenstationen für ein paar Wochen der nächste Aufenthalt für die Kinder.«
»Lieben die Eltern ihre Kinder denn nicht?«
»Sie dürfen das nicht mit unseren moralischen Maßstäben sehen. Wer hungert, denkt nur ans Überleben. Moral oder Gefühle kommen da erst an zweiter Stelle. Und dass die Verhältnisse in den Ländern der Dritten Welt so bleiben, daran sind unsere westlichen Industriestaaten schuld.«
»Machen denn die Behörden nichts dagegen? Wenigstens die Polizei?«
»In Manila? Die Polizei ist korrupt. Und wenn mal wirklich was mit den Kindern passiert, eine schwere Verletzung oder Ähnliches, da drücken die Behörden gerne mal beide Augen zu. Und fällt ein Kunde durch besondere Brutalität auf, dann zahlt er der Polizei ein paar
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