Grappa 05 - Grappa faengt Feuer
keine Ahnung.«
»Haben Sie bei der Anmeldung nicht gewusst, dass er Mitglied des Kuratoriums Ihres Museums ist?«
»Nein, leider nicht. Das Kuratorium besteht aus 30 Leuten. Wenn ich ihn erkannt hätte, wäre er nicht hier, das können Sie mir glauben!«
»Was will er von Ihnen? Was hat er vor?«
»Detektiv spielen? Psychoterror ausüben gegen einen Mann, der angeblich jahrelang Kunstschätze gestohlen hat? Seinem stotternden Sohn eine Freude machen? Was weiß ich!«
Kondis' Stimme hatte einen scharfen Klang, in den ein paar Prisen Verzweiflung gemischt waren. Er hatte Angst vor dem, was vielleicht kommen würde.
»Ich werde ein Interview mit ihm machen und versuchen, etwas herauszukriegen. Mal schauen, was dero Gnaden, Herr Oberstudiendirektor Dr. Waldemar Agamemnon Unbill, auf Lager haben.«
»Heißt das, dass Sie auf meiner Seite sind?« Es klang hoffend.
»Wir haben doch gerade erst Waffenstillstand geschlossen! Jetzt kommt erst mal ein Nichtangriffspakt. Wenn wir den durchhalten, sehen wir weiter. Für einen Freundschaftsvertrag ist es noch entschieden zu früh. Außerdem spiele ich lieber mein eigenes Spiel.«
Er lachte auf. Es klang überrascht und gekränkt. »Sie handeln sehr pragmatisch«, bescheinigte er mir. »Donec eris felix, multos numerabis amicos. Tempora si fuerint nubila, solus eris.«
»Und was heißt das nun wieder?«
»Ovid. Es heißt sinngemäß: Wenn du glücklich bist, hast du viele Freunde. Wenn sich der Himmel bewölkt, bist du allein.«
»Schöner Spruch. Passt aber nicht, denn ich habe Sie noch nicht gekannt, als Sie glücklich waren. Haben Sie Angst vor diesem Unbill?«
»Keine Angst. Aber ich fühle mich unwohl.«
»Warum haben Sie nicht darauf bestanden, dass die Diebstähle restlos aufgeklärt werden?«
»Sie haben recht. Das war ein Fehler. Aber ich wollte damals nicht von den Medien zerstückelt werden. Jetzt haftet der Makel, ein Dieb zu sein, ein Leben lang an mir. Aber ich hätte auf jeden Fall die Verantwortung für die Sache tragen müssen – immerhin war ich der Direktor des Museums.«
Kondis trat zum Geländer, das die Dachterrasse säumte. Ich nutzte die Gelegenheit, ihn zu mustern. Er war gut gebaut mit kräftigen Schultern und Oberarmen, die Beine waren lang und steckten in flachen, weichen Schuhen aus Wildleder. Er schien eine Vorliebe für legere Kleidung zu haben, denn die Hose war aus Leinen und das Hemd aus stahlblauer Rohseide. Wenn ich die Männer der Reisegruppe an meinem geistigen Auge vorüberziehen ließ, war er mit Abstand der attraktivste. Abgesehen von Costas. Aber der musste noch für ein paar Jährchen auf die Weide.
Ich spürte ein merkwürdiges Kribbeln in meinem Blut, während ich Kondis so ungeniert betrachtete. Er war ein Macho, aber einer von der ganz raffinierten Sorte. Intelligent, gebildet, anpassungsfähig. Die Rolle eines Mannes, der von geheimnisvollen Mächten verfolgt und unschuldig einer Straftat bezichtigt wird, spielte er brillant. Der einsame Wolf, der melancholische Einzelgänger auf der Suche nach einer starken Frauenschulter, nach dem Mädel zum Pferdestehlen.
Die Nummer war nicht neu für mich, doch zurzeit hatte ich keine Lust darauf. Ich drehte mich um und ging auf den Flur zurück. Fast wäre ich über meinen Koffer gefallen.
In meinem Zimmer packte ich nachdenklich den Koffer aus. In Delphi waren drei Übernachtungen vorgesehen. Heute Abend hatten wir Auslauf ohne Programm – so sah es der Reiseplan vor. Ich würde eine Flasche Wein bestellen und auf dem Balkon in meinen Büchern schmökern.
Da fiel mir ein, dass ich mit Pater Benedikt zum Interview verabredet war. Ich trat auf den Flur zurück. Die Zimmertür neben meiner war geöffnet. Durch den Spalt sah ich Daphne Laurenz. Ich klopfte und trat ein.
»Wissen Sie, in welchem Zimmer der Pater untergebracht ist?«, erkundigte ich mich.
»Ganz am Ende des Ganges, hinten links«, antwortete sie. »Sind Sie mit Ihrem Zimmer zufrieden?«
»Eine tolle Aussicht«, schwärmte ich. »Die Parnassos-Berge und das Tal des Pleistos. Es ist wunderbar! Was machen Sie heute Abend?«
»Wenn nichts anliegt, ruhe ich mich aus. Morgen haben wir einen anstrengenden Tag. Wir besuchen das Apollon-Heiligtum und am Tag darauf das Museum. Ich muss meine Texte noch einmal durchlesen, ich mache diese Reise schließlich auch zum ersten Mal.«
»Wenn Sie wollen, kommen Sie rüber zu mir auf ein Gläschen Wein. Ich wohne nebenan.«
Sie lächelte abwesend und legte ein fast
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