Grappa 05 - Grappa faengt Feuer
ich machen werde. Lieber verhungere ich!«
»Hast du keine Verwandten, die dir helfen können? Vielleicht solltest du Deutschland verlassen und in Griechenland arbeiten.«
»Natürlich habe ich Verwandte. Soll ich zugeben, dass ich gescheitert bin?«
»Wenn dein Kampfgeist so groß wäre wie dein Stolz, befändest du dich in einer anderen Lage!«
»Ich weiß, dass ich feige bin …«
»So habe ich es nicht gesagt!«
Er startete den Wagen. »Du hast es nicht gesagt, aber du hast es gemeint.«
Die Olivenbäume nahmen kein Ende. Der Weg wurde immer schlechter, raue Disteln wuchsen an seinem Rand, gelbblühender Ginster, Steineichen und Wacholderbüsche. Elstern und Eichelhäher kreuzten laut schimpfend unseren Kurs. In der abendlichen Sonne bäumten sich alle Farben noch einmal auf.
Kondis fuhr in einen noch kleineren Weg. »Hier steht eine alte Kirche«, erklärte er. »Wenn sie noch da ist. Ich bin zehn Jahre nicht mehr hier gewesen.«
Der Pfad war mit Gräsern fast zugewachsen und steil. Der Jeep schaffte die Strecke dennoch mühelos. Dann sah ich die Kirche. Die Außenwände waren aus flachen Steinen aufgeschichtet worden, der Turm hob sich kaum über die Wipfel der Olivenbäume hinaus. Das Gotteshaus hatte sich in die Landschaft hineingeduckt.
Wir stiegen aus und gingen in Richtung Eingang. Ich drückte das Portal auf und trat ein. Meine Augen konnten sich nicht sofort an das Dunkel des Innenraums gewöhnen.
Kerzen brannten. Ich sah einen Mann in einer Kirchenbank sitzen. Wie war er hierhergekommen? Ich dachte an den Lieferwagen, der die Nachtigall verscheucht hatte. Dann wandte sich der Mann um. Ich erkannte Pater Benedikt. »Hallo«, sagte ich erstaunt, »was machen Sie denn hier?«
Der Mann wandte sich ab, bekreuzigte sich hastig und verschwand durch eine Nebentür.
»Hast du ihn gesehen?«, fragte ich Kondis, der hinter mir geblieben war.
»Ja sicher. Da saß jemand und betete«, gab er zurück.
»Hast du ihn erkannt? Es war Pater Benedikt! Er saß dort in der ersten Bank. Als er mich bemerkte, ist er weggelaufen. Was wollte er hier?«
»Das war nicht Benedikt. Du musst dich geirrt haben.«
»Ich habe mich nicht getäuscht!«, beharrte ich. »Es war Pater Benedikt. Lass uns die Gegend absuchen. Er kann sich schließlich nicht in Luft aufgelöst haben. Irgendwo muss ein Auto stehen.«
Panisch stürzte ich ins Freie. Es war nichts zu sehen oder zu hören. Hier war niemand außer uns beiden. Es wurde bereits dämmrig. Ganz ruhig, ermahnte ich mich.
»Maria! Er kann es nicht gewesen sein. Deine Nerven sind lädiert«, meinte Kondis zärtlich. »Lass uns weiterfahren. Irgendwann nehmen wir einen Pfad nach rechts. Die führen alle wieder auf die Hauptstraße zurück. Gleich wird es dunkel, die Wege sind nicht beleuchtet. Ich will den Jeep nicht ruinieren.«
»Ich habe ihn aber gesehen!«, insistierte ich. »Was kann er in der Kirche gewollt haben? Und warum ist er weggelaufen, als er mich gesehen hat?«
»Du hast dich getäuscht«, sagte er beschwichtigend. Diesmal widersprach ich nicht, aber ich war sicher, keiner Halluzination aufgesessen zu sein.
Eine halbe Stunde später kamen wir im Hotel an. Pater Benedikt saß im Aufenthaltsraum und las in einem Buch. Er wirkte entspannt, als würde er schon seit Stunden dort sitzen. Als er mich sah, winkte er mir freundlich zu.
»Na siehst du«, sagte Kondis.
»Ich habe ihn aber gesehen!«, beharrte ich. »Ich hab‘s doch nicht mit den Augen!« Grübelnd gingen wir durch den langen Flur zu den Zimmern.
»Darf ich heute Nacht zu dir kommen?«, wollte Kondis wissen.
Diese Frage überforderte mich, da ich mit meinen Gedanken in einem völlig anderen Film war. Überrascht schaute ich auf und rang nach einer Antwort.
Die Zögersekunden verletzten seinen Stolz. »Vergiss es!«, stieß er hervor. »Ich habe es nicht so gemeint. Bitte vergiss, was ich gesagt habe! Ich wünsche dir eine gute Nacht.«
Das allgegenwärtige Böse reist mit
Als Frau anspruchsvoll zu sein, ist gleichbedeutend mit Liebesentzug. Ich hatte das Abendessen ausfallen lassen und verbrachte den lauen Abend allein auf meinem Balkon, ließ meinen Blick über die Berge schweifen, die langsam in dunkles Grau abtauchten. Legionen von Zikaden begannen mit ihrem Konzert, ihr gleichförmiges Zirpen strapazierte mein gestresstes Gehirn. Ich lehnte mich über das Geländer des Balkons und bemerkte rechts von mir ein Geräusch.
Ich sah Gerlinde von Vischering. Sie suchte mit einem Fernglas die
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