Grappa 05 - Grappa faengt Feuer
da. Ich spüre es körperlich.
Pater! Das bilden Sie sich ein!
Ich bin müde. Ist das Interview beendet?
Ja. Ich bedanke mich. Gute Nacht!
Zeus überlebt, und Ajax vergisst das Stottern
Vor Zeus regierte Kronos die Welt. Er war der Sohn des Uranos, des Himmels, und der Gaia, der Erde. Kronos heiratete seine Schwester Rhea. Gaia, die Erde, beklagte sich bei Kronos über ihren Gatten Uranos, der ihr die hundertarmigen Riesen und die Zyklopen in den Leib zurückgestoßen hatte, als sie gebären wollte.
Gaia gab Kronos eine Sichel aus Feuerstein, mit der er seinen Vater entmannte. Kronos warf die abgeschnittenen Genitalien von sich, aus ihnen entstanden die Furien, die Giganten und die Nymphen.
Kronos übernahm die Macht, doch er war nur wenig besser als sein Vater. Seine Schwester gebar ihm die Götter Hestia, Hera, Hades, Poseidon, Demeter und Zeus. Kronos verschlang die ersten fünf Kinder. Als er Zeus fressen wollte, umwickelte Rhea einen Stein mit einer Windel. Kronos ließ sich täuschen und verschlang den Stein. Zeus überlebte und verabreichte seinem Vater ein Brechmittel. Er spuckte seine fünf Kinder und den Stein wieder aus. Dieser Stein wurde in Delphi aufgestellt und seitdem als Nabel der Welt bezeichnet.
Ich hatte die Story gerade in meinem Kulturreiseführer gelesen und stand vor diesem geschichtsträchtigen Teil im Museum von Delphi. Unsere Koffer lagen bereits im Bus, heute würden wir nach Dodona weiterfahren, rund 370 km entfernt. Dort wartete das älteste Zeus-Heiligtum in Griechenland auf uns.
Kondis hatte seine Einführungsrede bereits gehalten. Gleich würden wir den berühmten Wagenlenker von Delphi sehen, eine Bronzestatue, die fast unversehrt in der Erde des Apollonheiligtums gefunden worden war.
Ich konnte an dem »Nabel der Welt« nichts finden, zumal es sich um eine römische Kopie handelte. Das Mikrofon hielt ich wie zufällig in der Hand, um die Kommentare der Touristen aus aller Welt auf Band zu bannen. Die Ausbeute war nicht groß. Die meisten ließen den Steinbrocken links liegen, um ihren Führern zu folgen, die schnurstracks in Richtung »Wagenlenker« hasteten.
Ajax Unbill stand zufällig neben mir, als ich das Mikro aus dem Rekorder stöpselte.
»Eine schöne Geschichte rankt sich um diesen Steinbrocken«, sagte ich, »der ausgespuckte Zeus und der kastrierte Vater. Sozusagen ein steingewordener Vater-Sohn-Konflikt.«
Er brauchte eine Weile für den Entschluss, sich mit mir zu unterhalten. »He… Hesiod hat dazu f… f… folgendes geschrieben«, stotterte er dann.
»Erst erbrach er den Stein, den er als Letzten verschlungen, den befestigte Zeus auf der weit umwanderten Erde, in dem heiligen Pytho am Hang des hohen Parnassos, als ein künftig Zeichen und Wunder den sterblichen Menschen.«
Ich war von den Socken. Er hatte das Gedicht ohne jeden Hänger hinter sich gebracht.
»Klasse!«, lobte ich. »Hört sich toll an. Sie wissen aber eine Menge, Herr Unbill! Fast so viel wie Ihr Herr Vater.«
»Sie k… k… können Ajax zu m… mir sagen!«
»Gerne. Ich heiße Maria. Ajax – war das nicht einer von den trojanischen Helden?«
Er nickte verlegen. Eltern können ihre Kinder fürs Leben zeichnen, wenn sie ihnen die falschen Vornamen verpassen, dachte ich. Mitleid floss in mein Herz. Der Junge war sicherlich ganz okay. Ich dachte an das Kind einer Bekannten, die ihren Sonnenschein »Herkules« getauft hatte. Leider war der Kleine ziemlich rachitisch und wollte nicht so richtig wachsen.
»Und was ist mit der Geschichte mit den beiden Adlern, die von Zeus losgeschickt wurden, um den Mittelpunkt der Welt zu finden?«, wollte Martha Maus wissen. Sie hatte unser Gespräch gehört. Die alte Dame hatte sich vom Gewaltmarsch am Tag zuvor prächtig erholt und war wieder topfit.
»Das zeigt, dass es mehrere Geschichten zu ein und demselben Ereignis gibt«, mischte sich Kondis ein. »Und nun hinein ins Vergnügen. Der Wagenlenker wartet auf uns.«
Martha Maus und Ajax Unbill stiefelten voraus.
»Hattest du eine schöne Nacht?«, fragte er.
»Aber klar! Ich habe fest und tief geschlafen. Und du?«
»Ich war viel zu allein.«
»Wenn du etwas jünger wärst, könntest du mit einem Teddy zu Bett gehen. Oder ist das für griechische Jungs nicht angebracht?«
Er grinste. »Weniger. Griechische Jungs interessieren sich von frühester Jugend an ausschließlich für Kuscheltiere, die auf zwei Beinen die Straßen und Plätze entlangstöckeln.«
»Armer Kondis! Die Schuhmode ist
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