Grappa 05 - Grappa faengt Feuer
passiert?«
Stockend erzählte er, dass er nachts ein Geräusch gehört habe. Er sei aus meinem Bett zu Tür gelaufen und habe den Kopf rausgesteckt.
»Ich sah, wie die beiden Unbills das Zimmer verließen. Beide waren angezogen, so, als wollten sie eine Nachtwanderung machen. Da wurde ich neugierig.«
»Um wie viel Uhr war das?«
»Gegen halb drei. Ich ging zurück ins Zimmer, zog meine Sachen an und schlich hinter den beiden her. Doch ich konnte sie nicht finden. Ich irrte zwischen den Olivenbäumen umher, der Mond gab nicht viel Licht. Ich wollte gerade wieder umkehren, als mich der Schlag auf den Kopf traf und ich das Bewusstsein verlor.«
»Armer Liebling«, sagte ich zärtlich, »tut es sehr weh?«
Er verneinte. »Mir ist kalt. Hilfst du mir beim Aufstehen?«
Langsam gingen wir Richtung Haus. Die Sonne kletterte über die kargen Berge in die blutgetränkte Landschaft.
»Woher wusstest du, dass Unbill tot war?«
»Ich bin zwischendurch aufgewacht und habe ihn liegen sehen. Er war voller Blut. Ich bin zu ihm hingekrochen, doch es war zu spät. Dann wollte ich ins Haus zurück, doch ich stolperte und fiel hin. Ich bin erst wieder aufgewacht, als ich dein Gesicht über mir sah.«
Im Hotelfoyer stand eine aufgeregte Martha Maus in Nachthemd und Pantoffeln. Sie hatte mitbekommen, dass etwas passiert war.
»Herr Kondis«, rief sie bestürzt, »was ist mit Ihnen?«
»Halb so schlimm«, lächelte Jason tapfer, »ich würde gern einen Ouzo trinken, denn mir ist kalt.«
Ich führte Jason zu einem Sessel. Martha Maus plünderte zielstrebig die Hotelbar. Es war nur ein Bierglas zu finden. Sie kippte es randvoll, und nacheinander nahm jeder von uns einen Schluck.
»Der Hotelier ist zum Polizeichef des nächsten Ortes gefahren«, berichtete Pater Benedikt, »es wird noch etwas dauern. Fassen wir uns also in Geduld.«
»Ich würde gern wissen, ob Ajax in seinem Zimmer ist«, sagte ich in die schweigende Runde, »vielleicht liegt er tot in seinem Bett. Könnten wir nicht mal nachsehen?«
»Es ist doch abgeschlossen«, entgegnete der Pater.
»Dort hängt der Generalschlüssel.« Meine Hand deutete auf das Schlüsselbrett über der Rezeption. »Also – kommen Sie mit, Pater?«
»Ich will auch dabei sein«, krächzte Jason.
»Du bist verletzt und bleibst hier sitzen«, befahl ich. »Danach versorge ich deine Wunde. Mach die Augen zu und entspann dich!«
Er versuchte keine Widerrede. Ich grabschte den Schlüssel, kurze Zeit später standen wir vor dem Zimmer.
»Gehen Sie als Erster rein«, schlug ich vor, »mein Bedarf an blutüberströmten Leichen ist gedeckt.«
Das Zimmer war leer. Kein Ajax zu sehen, dafür lag ein Bündel schmutziger und blutgetränkter Kleidung im Bad. Die Dusche tropfte noch. Ajax Unbill hatte sich das Blut seines Vaters abgewaschen und sich mit frischer Kleidung versorgt.
»Schauen Sie, Pater. Er hat kaum etwas mitgenommen. Der Koffer ist fast gefüllt.«
Ich kramte in den Sachen herum und hatte plötzlich eine schwarze Gesichtsmaske in der Hand. Sie war aus einem engen, elastischen Schlauch und hatte Sehschlitze. Meine Hände suchten weiter.
»Na also«, brummte ich zufrieden, »wer sagt's denn.«
Die Flasche war aus dunklem Glas, war halb so hoch wie eine Bierflasche und enthielt eine ölige Flüssigkeit. Ich drehte den Schraubverschluss ab.
»Da! Riechen Sie mal!«
Gehorsam schnupperte der Pater. »Pfefferminze!«, konstatierte er.
Ich erzählte ihm die Geschichte von Daphne und dem unbekannten Vergewaltiger, der sich als Apollon ausgegeben hatte. Wir bemerkten beide nicht, dass Daphne hinter uns stand.
Sie sah die Maske und die Flasche und fing an zu schreien. Sie brüllte den Schmerz und die Erniedrigung aus sich heraus. Pater Benedikt legte die Arme um sie, ihr Geschrei versickerte in einem gotterbärmlichen Gewimmer.
Sie war in guten Händen. Ich sprintete in mein Zimmer und plünderte meine Reiseapotheke. Alkohol, Mull und einen sterilen Verband. Das würde vorläufig für Jasons lädierten Schädel ausreichen.
Inzwischen waren alle noch lebenden Mitglieder der Reisegruppe im Saal versammelt. Die Polizei ließ noch immer auf sich warten. Jason war eingerahmt von Martha Maus und Almuth Traunich und erfreute sich allumfassender Aufmerksamkeit.
»Aus dem Weg, Mädels!«, befahl ich. »Der Patient erhält notwendige erste Hilfe.«
»Ajax ist verschwunden«, raunte ich Jason zu. »Er hat das Blut unter der Dusche weggespült, sich neue Klamotten angezogen und ist
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