Grappa 05 - Grappa faengt Feuer
Irgendwie hatte ich das Gefühl, die Lunte einer Bombe angezündet zu haben, die niemand mehr austreten konnte.
»Jetzt heißt es abwarten«, murmelte ich. »Irgendwas wird passieren! Und zwar bald.«
Gedankenverloren schlenderte ich durch den Garten in Richtung Hotel. An einem großen Lavendelbusch machte ich Halt und zerrieb eine Blüte zwischen meinen Fingern. Die glühende Sonne hatte die ätherischen Öle erhitzt. Der Duft war wild und passte zu der mykenischen Schlächterei, die auf der Burg stattgefunden hatte, die sich in der Dämmerung wie ein niedriges Raubtier an den Berg presste. Bereit zum erneuten Sprung auf ein unschuldiges Opfer.
»Woran denkst du?« Es war Kondis, an den ich eigentlich keinen Gedanken mehr verschwenden wollte, weil er Teil einer jahrtausendalten Erfahrung war, die mich berauschte und gleichzeitig ängstigte. Ich dachte mit romantischer Schwermut an ihn, dessen Herz voll fremder Leidenschaften war, die nicht mir galten.
»Die Geschichten der Menschen haben mich berauscht, sodass mir mein analytischer Verstand abhandengekommen ist«, bekannte ich. »Ist es das, was du von Anfang an gewollt hast?«
»Als ich dich traf, hat mich deine Überlegenheit gestört. Frauen sind für mich unberechenbare, gefühlsduselige Wesen, die gerade durch ihre Unvollkommenheit leicht zu beherrschen sind. Doch als ich dich kennenlernte, wollte ich nicht mehr herrschen, sondern nur mit dir sein. Der Kampf wurde unwichtig. Ich glaube, ich liebe dich.«
Er trat näher. In der Dämmerung sah ich sein klassisches Profil, spürte den Geruch seiner Haut und sehnte mich nach der Hitze seiner Küsse.
»Hör doch auf«, bat ich ärgerlich. »Liebe – das Wort verdient keine Inflation!«
»Deine verdammte Angst, sich auf mich einzulassen, macht dich verbittert und ungerecht.« Er trat auf mich zu und drückte meinen Kopf an seine Brust. Durch den Stoff des leichten Leinenhemdes spürte ich männliche Wärme. Ich entspannte mich.
Er nahm meine Hand und zog mich aus dem Garten fort in den angrenzenden Olivenhain. Im letzten Licht des Tages sah ich über mir eine Kuppel von silbrig schimmernden Blättern.
»Was hast du mit Unbill besprochen?« Die Frage kam unvermittelt und passte nicht zu der romantischen Stimmung, in die er mich gelockt hatte.
»Nichts Besonderes«, log ich.
»Warum war er dann so außer sich?«
»Ich habe keine Ahnung. Auf dieser Reise benimmt sich jeder nicht so, wie er sollte.«
»Warum belügst du mich?« Sein Ton war drängender geworden. Er trat vor mich und versperrte den Weg. »Was hast du mit Battos besprochen? Bitte, Maria, sag endlich was! Ich habe ein Recht, es zu wissen!«
»Wie du meinst«, willigte ich ein, »doch mach dich auf was gefasst.« Ich fasste die Dialoge mit Ajax und seinem Vater in Kurzform und präsentierte sie ihm.
»Also bin nicht ich sein Opfer, sondern Frau Vischering!«, rief Kondis aus, als ich meinen Bericht beendet hatte.
»Du auch, weil er dir den Tod von Athina Melas anlastet. Aber in erster Linie wollte er eine lästige Zeugin beseitigen. Und will es vielleicht immer noch.«
»Du hast ihn in die Enge getrieben. Was wird er tun?« Kondis war aufgebracht. Ich hatte ihn mit meiner Nervosität angesteckt. »Du musst auf dich aufpassen, Maria!«
»Mir tut er schon nichts, denn meine Geschichte steht leider noch auf tönernen Füßen. Aber ich habe für alle Fälle ein paar Aufzeichnungen über meine Theorien gemacht. Sie liegen in meinem Gepäck. Wenn er mich erwischt, dann musst du die Sachen der Polizei übergeben.«
Der Mond stand fast voll am Himmel. Sein Licht war so hell, dass wir den Rückweg durch die Olivenbäume nicht nur ertasten mussten. Endlich standen wir vor dem Hotel. Lachende Stimmen drangen zu uns, es klang so schrecklich normal, dass mir eine Gänsehaut den Rücken hinunterlief. Eine Wolke schob sich vor den Mond. Die Landschaft verfinsterte sich. Es war eine Drohung.
Kondis' Mund legte sich auf meinen Hals. »Du zitterst ja!«, rief er erschrocken aus.
»Kommst du zu mir?«, fragte ich. »Ich kann im Moment nicht allein sein.«
»Hast du Angst vor Unbill?«
»Nein. Nur vor der nahen Zukunft. Glaubst du an ein vorbestimmtes Schicksal?«
Er legte den Arm um mich. »Ich wäre kein Grieche, wenn ich es nicht täte. Wir nannten sie Erinnyen oder Furien. Orestes wurde von ihnen gepeinigt, als er dort oben auf der Burg seine Mutter tötete. Sie wurden von der Nacht geboren und hießen Alekto, Megaira und Tisiphone. Die letzte war
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