Grappa 06 - Grappa und der Wolf
Voreiligkeit nicht übel?«
»Sehr aufmerksam«, flötete ich. »Sie wundern sich sicherlich, dass ich Sie sprechen will, oder?«
»Nein«, antwortete er schlicht. »Ihre Erlebnisse in Spanien haben Ihnen wohl gezeigt, dass die Sache gefährlicher ist, als Sie bisher dachten. Ihr Artikel war sehr aufschlussreich – auch wenn er für mich natürlich keine neuen Fakten enthielt. Ich freue mich auf jeden Fall, dass wir nun doch zusammengekommen sind.«
Das hast du Peter Jansen zu verdanken, dachte ich.
Lautlos waren zwei Kellnerinnen herangetrippelt und stellten zahlreiche Schälchen auf den Tisch, in denen sich kleine Bröckchen zugeschnittener Fisch oder gerollte Teigteilchen befanden.
»In der japanischen Küche unterscheidet man zwischen Sushi und Sashimi«, dozierte Liliencron, »die Sushi-Basis ist Reis, der zuvor mit Essig gesäuert wird. Darauf werden Scheiben von rohen Krustentieren oder Fisch platziert. Für Nori-Maki-Sushi werden Algen mit gesäuertem Reis bestrichen, gefüllt und aufgerollt. Sehen Sie hier!«
Er deutete auf vier Rollen, die auf einem schwarzen Lacktablett lagen. Es sah ziemlich malerisch aus. Bei dem Gedanken an rohen Fisch allerdings drehte sich mir der Magen um.
»Dies hier ist Ura-Maki-Sushi«, fuhr er fort, »die Reisschicht ist diesmal außen, und beim Date-Maki-Sushi wird der rohe Fisch in einen Omeletteteig eingerollt. Sashimi dagegen ist roher Fisch oder Krustentiere. Das hier ist die Soße.« Liliencron deutete auf eine Schale, in der eine dunkelbraune Flüssigkeit schwamm. »Es handelt sich um Sojafond, der mit frischem grünen Meerrettich verrührt wird.«
»Vielen Dank für die Einführung in die japanische Küche«, sagte ich und versuchte zu lächeln, »es gibt für Sie also ein Leben neben dem BKA. Woher rührt Ihre Vorliebe fürs Japanische?«
»Die japanische Kultur hat mich schon immer fasziniert«, gestand er, »also war es nur eine kleine Überwindung für mich, für zwei Jahre nach Japan zu gehen. Ich habe dort in einer Anti-Terror-Einheit gearbeitet. Internationaler Beamtenaustausch.«
Ich klemmte ein Nori-Maki-Sushi zwischen die Stäbchen und führte es zum Mund. »Isst man die Dinger ganz, oder sollte man erst mal dran knabbern?«, wollte ich wissen.
»Wie Sie wollen.«
Es schmeckte grauenhaft. Ich weiß nicht, ob es der rohe Fisch oder der saure Reis war, aber mir blieb der Bissen sozusagen im Mund hängen. Es gab für mich nur zwei Möglichkeiten – ausspucken oder runterschlucken. Ich tat das letzte und spülte mit einer Tasse grünen Tee nach, der so heiß war, dass ich mir den Gaumen verbrannte. Ich schloss die Augen. Mein Kleinhirn spuckte Visionen von spanischem Lammbraten, italienischer Pasta und griechischen Fleischbällchen aus. Es gab so viele wunderbare Gerichte auf dieser Welt.
»Das ist nichts für mich«, keuchte ich. »Kriegt man hier eine Schale Reis – ohne alles?«
»Es tut mir sehr leid.« Liliencron wirkte etwas zerknirscht. »Ich wollte Ihnen wirklich nur eine Freude machen und den Neubeginn unserer Zusammenarbeit auf möglichst nette Art feiern. Sollen wir woanders hingehen?«
»Bloß nicht.« Mein Bedarf an Essen war für den heutigen Tag gedeckt. »Aber Sie sollten mir jetzt endlich sagen, was Sie über die Sachertorte wissen.«
»Sie haben recht. Schließlich arbeiten wir jetzt zusammen.«
Liliencron ließ die Stäbchen sinken. Die Kellnerin räumte die halbleeren Schälchen weg.
»Sachertorte ist eine Bezeichnung für nukleares Material, das von international tätigen Schmugglerkreisen gehandelt wird.« Liliencron drückte sich sehr vorsichtig aus.
»Diese Information ist nicht neu für mich. Wer hat das Zeugs bestellt, und wo soll es hin?«
»Das wissen wir leider noch nicht. Nur, dass der Schmuggel über Moskau, Spanien, Deutschland läuft. Auf spanischer Seite ist eine Firma in Toledo involviert, die Firma, die Sie in Ihrem Bericht erwähnt haben. Wer in Deutschland Ansprechpartner ist – darüber liegen uns noch keine Informationen vor.«
»Wie wär's denn mit der Firma Hilfe ohne Grenzen? Schließlich zahlt Puerta del Sol hohe Spenden an die HoG und hält Gesellschafteranteile. Die HoG hat durch ihre Transporte die Möglichkeit, die Sachen außer Landes zu schaffen. Wer kontrolliert schon humanitäre Hilfe? Und so bekäme der Mord an Lasotta wenigstens einen Sinn!«
Liliencron schüttelte den Kopf. »Uns fehlen die Beweise. Leider! Einer unserer Agentinnen wäre es fast gelungen, an eine Probe des
Weitere Kostenlose Bücher