Grappa 06 - Grappa und der Wolf
Firma Puerta del Sol Aufträge entgegennimmt und im Geschäft der internationalen Atommafia kräftig mitmischt, wenn nicht gar den Ton angibt. Im Klartext: Hier können durchgeknallte Diktatoren Stoff bestellen, um die halbe Welt zu vernichten. Urs Stäubli ist einer ihrer Agenten. Er hat in Toledo das Büro der Aeroflot besucht und sich bestimmt ein Ticket nach Moskau gekauft. Da kommt das Zeug schließlich her. Du kannst überall nachlesen, dass es kein Problem ist, in der Ex-UdSSR an waffenfähiges Plutonium, Lithium 6 oder anderes Zeug heranzukommen. Das ist nur eine Frage des Preises. 280 Millionen sind kein Pappenstiel.«
»Wie kommst du auf 280 Millionen?«
»Die Sachertorte kostet so viel.«
»Und welche Rolle spielt El Lobo? Glaubst du, dass du ihm trauen kannst? Vielleicht will er selber nur an die Torte ran?«
»Mach dir mal keine Sorgen«, versuchte ich seine Bedenken zu zerstreuen, »als Journalist muss man unabhängig bleiben, unbestechlich sein und den Überblick behalten.«
»Ach ja? Dafür hat dich dieser Wolf schon ganz schön um den Finger gewickelt.«
»Du spinnst.« Wütend spießte ich das letzte Stück Fleisch auf und ließ es im Mund verschwinden.
»Dann machen wir also weiter?«
»Klar.« Ich erhob mein Glas. »Habe ich jemals etwas anderes vorgehabt?«
Fische mit schlechtem Image
In Bierstadt war alles wie immer. Nein, etwas hatte sich geändert. Chefredakteur WC Knall war für die nächsten Monate aus dem Verkehr gezogen.
»Er liegt in der Klinik. Er hatte einen Unfall.« Peter Jansen sah nicht so aus, als würde er vor Mitleid zerfließen.
»Das tut mir aber leid«, log ich. »Was hat er denn?«
»Beim ›Montags-Talk‹ ist etwas Schreckliches passiert. Es ging um eine kritische Auseinandersetzung über die Haltung von Tieren in Gefangenschaft. Die Sendung fand im Zierfisch-Aquarium des Bierstädter Zoos statt. WC stand vor einem riesigen Bassin und interviewte den Zoodirektor, als er plötzlich über ein Kabel stolperte. Den Rest kannst du dir denken.«
Ein warmes Gefühl stieg in mir auf. »Erzähl mehr!«, flehte ich. »Hat er sich etwa wehgetan?«
»Allerdings. In dem Becken waren Piranhas.«
»Diese kleinen, süßen Fische aus dem Amazonas mit den messerscharfen Zähnen?«, jubelte ich.
»Genau die. Na ja, er brüllte wie am Spieß, und das live – vor laufender Kamera. Natürlich haben sie ihn schnell da rausgeholt. War halb so tragisch.«
»Willst du etwa sagen, dass er nicht angeknabbert worden ist?«
»Keine Sorge«, beruhigte mich Jansen, »ein paar Wunden hat er schon. Ein Finger ist, glaub ich, weg. Aber – Knall hat einen schweren Schock … und sein Toupet ist im Eimer. Es dümpelte noch eine Weile an der Wasseroberfläche und versank dann. Niemand hat sich getraut, es rauszuholen. Ich hatte bis dahin gar nicht gewusst, dass er einen Mottenfifi trägt.«
»Und warum sagt man diesen Fischen nach, dass sie einen Ochsen in ein paar Sekunden völlig skelettieren können? Warum versagen sie so gnadenlos?«
Jansen grinste. »Alles Vorurteile.«
»Jemand muss sie vorher mit was Leckerem gefüttert haben«, mutmaßte ich. »Sonst wären sie nicht so zurückhaltend gewesen. Meinst du, ich sollte mal bei ihm in der Klinik vorbeischauen?«
»Lass das mal lieber«, riet er dann, »du musst da nicht nachhelfen. Er hat den Antrag auf Vorruhestand schon gestellt, der Verleger hat zugestimmt. Tränen der Erleichterung sollen ihm dabei über die Wangen gelaufen sein. Die Ära Knall geht ihrem Ende entgegen.«
»Der Journalismus in unserer Republik wird Minuten brauchen, um sich von diesem Verlust zu erholen«, prophezeite ich. »Werden sie dich jetzt zum Chef machen?«
»Ich rechne nicht damit.« Jansen schien darüber nicht unglücklich zu sein. »Ich habe einen dunklen Punkt in meiner Vita. Außerdem ist Karriere nicht alles im Leben.«
»Finde ich auch«, stimmte ich zu, »komm, lass uns besprechen, wie wir die Geschichte zu einem guten Ende bringen.«
Toter Fisch in Roh
Asiatische Klänge umperlten mich, als ich das Sushi-Restaurant betrat. Eine niedliche Japanerin empfing mich am Eingang, sie trug ein prächtiges Gewand und trippelte mit zierlichen Schritten vor mir her.
»Bitte schön, gnädige Flau«, zirpte die Asiatin.
Liliencron schraubte sich ein charmantes Lächeln heraus, als er mich sah.
»Liebe Frau Grappa!« Er sprang auf. »Ich habe mir erlaubt, schon mal eine kleine Kollektion Sushi und Sashimi zu ordern. Ich hoffe, Sie nehmen mir meine
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