Grappa 06 - Grappa und der Wolf
neuesten Entwicklungen informiert hatte.
»Lecker«, mampfte Rocky und kraulte der Katze den Nacken. »Meine Mama macht auch immer Apfelkuchen, doch da sind noch Haselnüsse drauf. Solltest du auch mal probieren. Schmeckt prima!«
»Man kann nicht alles im Leben haben«, entgegnete ich. »Ich werde mich um den Wolf kümmern, wenn er seinen Vortrag in Bierstadt hält. Du behältst Liliencron im Auge. Er kennt dich nicht. Ich will wissen, was der Typ treibt.«
»Ich hatte eigentlich gedacht, dass ich mich nachts auf den Hof der Wohlfahrtsfirma schleiche und die Lkw untersuche«, maulte Rocky, »warum soll ich den BKA-Bullen überwachen?«
»Ich muss wissen, was er unternimmt. Ich habe ihm das Foto von Stäubli gezeigt, und er hat ziemlich merkwürdig darauf reagiert.«
»Wieso?«
»Wenn er Puerta del Sol wirklich überwacht hat, dann müsste er Stäubli eigentlich kennen. Mein Gefühl sagt mir, dass er lügt. Die Frage ist nur – warum tut er das?«
Zwei Tickets und ein Plan
Mein verhinderter Bodyguard war in Bierstadt wesentlich nützlicher als im feindlichen Ausland. Er rief mich an, nachdem Liliencron nach einigen Besorgungen ins Polizeipräsidium zurückgekehrt war.
»Zuerst ist er vom Hotel ins Präsidium gefahren. Ich stand noch da und überlegte, ob ich ihm nachgehen soll, als er schon wieder auftauchte. Er hat sich in seine Karre geschwungen und ist zum Stadion gefahren.«
»Ja und?«
»Er hat zwei Eintrittskarten für das BVB-Spiel gekauft.«
Komisch, dachte ich, Liliencron sieht nicht aus, als würde er sich für Fußball interessieren. Aber warum eigentlich nicht?
»Das Spiel ist erst Samstag, also in zwei Tagen«, rechnete ich nach, »am besten ist, du kaufst dir auch ein Ticket und gehst mit ihm hin. Dich kennt er noch nicht.«
»Schon passiert. Er sitzt auf der Westtribüne, Block K, Reihe 1, Sitz 34 und 35. Ich habe Platz 37 gebucht. Krieg ich die 21 Mark von dir wieder?«
»Guter Junge«, lobte ich, »Tante Grappa bezahlt alles – wie immer. Du sagst, er hat zwei Tickets gekauft. Also muss er mit jemandem verabredet sein. Was hat er danach gemacht?«
»Nichts weiter. Er ist wieder in sein Büro gefahren. Er hat nur mal kurz angehalten und einen Brief eingeworfen. Dann ist er im Bullenkloster verschwunden.«
Ich lachte. Rocky hatte manchmal eine unkonventionelle Art der Bezeichnung. Aber irgendwie wirkte das Bierstädter Polizeipräsidium tatsächlich wie ein Kloster – ein modernes allerdings. Ein lichter Innenhof mit zurückhaltendem Grün, über dem sich vielen Etagen erhoben.
»Gegen wen spielt Bierstadt eigentlich?« Ich war fußballmäßig nicht mehr auf dem aktuellen Stand.
»Schalke.«
»Ich werde euch am Samstag nicht aus den Augen lassen«, kündigte ich an.
»Und wie willst du das machen?«
»Brinkhoff muss mir helfen. Und er wird es hoffentlich tun.«
Dann erklärte ich Rocky meinen Plan.
»Klasse«, sagte er und schnalzte anerkennend mit der Zunge, »so kannst du ihn beobachten und hast noch einen super Platz für das Match.«
Schwarz-gelb über alles
Bierstadt im Fußballfieber. Schalke 04 und der BVB – zwei Erzrivalen, von denen der eine nicht verkraftet hatte, dass der andere zu Meisterschaftsehren gekommen war. Schwarz-gelb hatte außerdem bei den letzten vier Bundesligabegegnungen über blau-weiß triumphiert – der Stachel der Erniedrigung saß tief und war mit Widerhaken versehen. Für die Ordnungskräfte bedeutete dies einen 24-Stunden-Dienst, um die jeweiligen Fans »bei Laune« zu halten.
Polizei, Bundesgrenzschutz, Polizeireiterstaffel und Sondereinsatzkommando – alles war auf den Beinen, um Ausschreitungen zu verhindern. Die Straßen um das Stadion wurden großräumig abgesperrt, wilde Parker abgeschleppt. An den Bundesbahn- und S-Bahn-Strecken wurden die anreisenden Fans von den Beamten und ihren Hunden auf unterschiedlichen Wegen ins Stadion begleitet – ohne dass sie sich begegnen konnten. Hooligans wurden vor dem Stadion nach Waffen durchsucht, besoffene Fans und Krakeeler in einen Bus gebracht, der mit Einzelzellen ausgestattet war. Zusätzlich tasteten die Ordner des Vereins am Eingang die Fans nach Wunderkerzen, Knallfröschen und anderen Dingen ab, die bei Freude oder Frust in die Luft gehen könnten.
Bewaffnet mit einer sogenannten »Arbeitskarte« versuchte ich, den Weg in die Polizeigondel zu finden, die sich über dem Rasen erhob. Heimische und gegnerische Fans machten ein glattes Durchkommen fast unmöglich. Von den Rängen
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