Grappa 07 - Killt Grappa
wir hinter einer Bücherwand entdeckt«, berichtete ein Kripomann. Nik schlug sie auf, ich schaute über seine Schulter.
»Die OP-Akte!«, rief ich aus.
Dr. Oktavio Grid hatte seinen Patienten vor und nach der Operation fotografiert. Der frühere Pater Joseph sah dem Phantombild aus Oude Pekela tatsächlich ähnlich. Joseph Hermas – so hieß der Pater mit bürgerlichem Namen, und so wurde er auch in der Akte geführt.
»Im Keller haben wir eine Unmenge von Büchern, Gefäßen, Pulvern und getrockneten Pflanzen und Tierteile gefunden«, erzählte der Beamte weiter. »Wir haben einen Kombi holen müssen, um alles einzupacken. Das hier jedoch schien mir so interessant, dass ich es Ihnen mitgebracht habe, Hauptkommissar. Kein schöner Anblick – ich sag's Ihnen gleich.«
Er drehte sich zu einem großen länglichen Behälter, der – durch ein Tuch verhüllt – hinter ihm auf dem Besprechungstisch stand. »Was ist mit der Dame?«, fragte er und warf mir einen Blick zu.
»Nehmen Sie keine Rücksicht auf mich«, sagte ich. »Ich bin hart im Nehmen.«
»Lass mich erst mal gucken, Maria«, meinte Kodil. »Ich sag dir dann Bescheid, was es ist.«
»Macht doch nicht so ein Theater!« Ich wurde ärgerlich.
»Wie du meinst«, resignierte Kodil. »Also dann. Runter mit dem Lappen.«
Das Tuch fiel. Vor uns stand ein Glasbehälter, der mit einer Flüssigkeit gefüllt war. In dem Behälter schwamm der abgetrennte Kopf eines winzigen schwarzen Babys.
»Oh, Gott!« Ich übergab mich ins Waschbecken.
Rache an den Feinden
Die Fahndung nach Joseph Hermas, katholischer Pater, lief seit dem grausigen Fund im Keller des Pfarrhauses auf Hochtouren. Hermas hatte es jahrzehntelang verstanden, ein nach außen hin gottgefälliges Leben zu führen. Er hatte tatsächlich Theologie studiert, war dann in den Benediktinerorden eingetreten und zum Priester geweiht worden. Vor fünfzehn Jahren hatte er das Kloster plötzlich verlassen. Doch da die »Mutter Kirche« keines seiner geweihten Schäfchen im Nassen stehen lässt, war Pater Joseph zunächst als Kaplan in eine Diaspora-Gemeinde im protestantischen Holland geschickt worden, bevor er in Bierstadt Gottes Loblied anstimmte.
Die Amtskirche hielt sich ziemlich bedeckt in der Affäre und gab nur die notwendigsten Informationen heraus.
Ich hatte den Lesern des Tageblattes nur eine entschärfte Fassung der Funde im Keller serviert. Was zu viel war, war zu viel.
Natürlich wurde der Birkenhof observiert, auch das Haus Grid ließen die Ermittlungsbehörden nicht aus den Augen.
»Wo könnte sich der Bursche herumtreiben?«, fragte Peter Jansen. Er, Turkey und ich saßen zwei Tage nach der Enttarnung des Paters in der Redaktion zusammen und hielten Kriegsrat. Wir drei mochten keine Geschichten, bei denen das Ende fehlte.
»Wir könnten die Haushälterin noch mal ausquetschen«, schlug Turkey vor.
»Vergiss es«, sagte Jansen.
»Freunde in Holland? Ob's da noch welche gibt, die ihm helfen würden?«, fiel mir ein.
»Keine Chance«, widersprach Jansen, »Interpol hat die Polizeiwachen alarmiert. Da geht er bestimmt nicht hin.«
»Ins Ausland? Südamerika?«, steuerte Turkey eine weitere Fluchtvariante bei.
»Von welchem Geld?«, fragte ich.
»Er muss Geld haben«, behauptete Jansen. »Davon geht die Polizei auch aus. Also – fassen wir zusammen, was wir wissen: Joseph Hermas muss fliehen. Er packt zwei Koffer. Das Priestergewand lässt er da, trägt also stinknormale Sachen. Er hat kein Taxi benutzt, sondern den Bus. An den Flughäfen ist er nicht aufgetaucht ...«
»... vielleicht mit falschen Papieren«, wandte ich ein.
»Wäre möglich. Glaub ich aber nicht, denn er hatte nicht viel Zeit, seine Flucht zu planen.«
»Stimmt«, gab ich zu, »also ist er noch in der Nähe. Fragt sich nur, warum?«
»Weil er noch eine Rechnung offen hat«, antwortete Jansen.
»Mit wem?«
»Mit dir, Grappa! Du hast ihm den Spaß gehörig verdorben und ihm seine bürgerliche Existenzgrundlage kaputt gemacht, die er sich mühsam aufgebaut hat. Wenn ich die Bücher über Satanismus richtig gelesen habe, dann existiert da die Forderung nach ›grausamer Rache‹ an allen Feinden.«
»Und was soll ich eurer Meinung nach tun?«
»Pass auf dich auf. Und sprich mit deinem Freund von der Kripo mal über Polizeischutz.«
Lockvogel oder Opfer
»Vermeulen und Else Ambrosius haben den Mord an Grid gestanden«, überraschte mich Nik am selben Abend. Er war in meine Wohnung gekommen, um mich zu
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