Grappa 08 - Grappa und die fantastischen Fuenf
»Interessiert Sie meine Theorie gar nicht?«, rief ich ihm nach.
»Welche Theorie haben Sie?« Es klang nicht besonders wissensdurstig.
»Ich glaube, dass Mustafa Ihren Vater umgebracht hat.«
»Glauben Sie es nur, oder können Sie es auch beweisen? Haben Sie ein Motiv entdeckt?«
Ich schwieg. Es waren wirklich nur Vermutungen, die ich im Hinblick auf den Mörder von Ali Tabibi hatte. Vor allem das Motiv fehlte. Warum sollte Solo den alten Tabibi um die Ecke gebracht haben?
»Auf Wiedersehen, Frau Grappa«, sagte Mamoud Tabibi. »Viel Glück bei Ihren Ermittlungen.«
Frustriert schaute ich in das Regal. Langsam leerte es sich. Irgendwann waren Solos Schuhe mutterseelenallein.
Er hat mich reingelegt, dachte ich, ich stehe hier wie eine Doofe und starre ein paar ausgetretene Latschen an. Er hat sich längst verpisst. Auf Socken.
Motiv in Sicht?
Es war kurz nach drei Uhr, als ich die Redaktion erreichte. Ich hatte gründlich versagt. Statt mit einem Mörder im Schlepptau kam ich mit leeren Händen. Jansen würde sauer sein.
»Nun, wo ist er?«, war seine erste Frage.
»Entwischt«, gab ich zu. Erst jetzt bemerkte ich, dass Hauptkommissar Anton Brinkhoff in Jansens Zimmer saß.
»Hallo«, sagte ich lahm.
»Sie haben sich und der Polizei keinen guten Dienst erwiesen«, begann Brinkhoff mit der Strafpredigt. »Durch Ihr Schweigen wird die Fahndung immer komplizierter, und ...«
»Ich bin nicht dazu da, der Polizei Dienste zu erweisen«, griff ich ihn an. »Wenn alles geklappt hätte, würde ich Ihnen Solo jetzt präsentieren können. Ich habe also durchaus die Absicht gehabt, mit den Behörden zu kooperieren.«
»Hast du ihn wenigstens gesprochen?«, versuchte Jansen die Situation zu entschärfen.
»Klar habe ich das.«
»Und weiter?«
»Er hat mehr oder weniger zugegeben, dass er Dr. Klima umgebracht hat. Ich habe ihm von der Antabus -Schachtel erzählt, und er wusste, dass der Oberstaatsanwalt durch die Wirkung dieser Pillen gestorben ist. Später hat er dann behauptet, das Obduktionsergebnis zu kennen.«
»Interessant«, sagte Brinkhoff. »Das Ergebnis der Obduktion ist nur an die drei örtlichen Zeitungen gefaxt worden – und zwar um neun Uhr. Er konnte es gar nicht wissen.«
»Und das Lokalradio? Vielleicht haben die es in den Morgennachrichten gebracht?«
»Das ist nicht möglich«, behauptete Brinkhoff. »Das Radio hat nichts bekommen, weil der Polizeipräsident eine Pressekonferenz geben wollte – heute um 17 Uhr. Ein Fax an die Zeitungen war unschädlich, denn die Printmedien können die Informationen nicht vor morgen früh verbreiten.«
»Na gut«, sagte ich. »Solo hat also Klima auf dem Gewissen. Haben Sie auch ein Motiv parat? Danach habe ich nämlich bisher vergeblich gesucht. Ohne Motiv keine Verurteilung – oder gilt diese Faustregel nicht mehr?«
»Das Motiv haben wir ermittelt«, verblüffte mich Brinkhoff. »Lassen Sie es sich von Ihrem Kollegen erzählen. Ich habe ihn ins Bild gesetzt. Das wär's zunächst. Ich muss mich jetzt um die Vorbereitung der Pressekonferenz kümmern. Auf Wiedersehen.«
Eine alte Geschichte
Lena Pirelli lebte mit ihren Eltern und dem Bruder Leon in einem geräumigen Einfamilienhaus. Die Gegend war gutbürgerlich, Vater Pirelli war ein erfolgreicher, freiberuflicher Werbemanager, die Mutter hatte ihren Beruf aufgegeben und lebte für Mann und Kinder. Der Familie ging es finanziell mehr als gut, Vater Pirelli hatte ein ziemliches Vermögen angehäuft.
Ein kleines Glück, mit dem alle Vier zufrieden waren. Doch dann passierte etwas, das die bürgerliche Idylle trübte: Tochter Lena war gerade vierzehn, als sie sich in einen zehn Jahre älteren Mann verliebte: Mustafa, der Sohn der libanesischen Putzfrau, die dreimal in der Woche die Hausfrau bei den groben Arbeiten entlastete. Der 24-jährige blasse junge Mann, Student an der Fachhochschule für Fotodesign, war ebenfalls entflammt und erwiderte die Gefühle des Kindes, das auf dem Weg zur jungen Frau war.
Auseinander, schrie der Vater, als er von der Liaison erfuhr, ein Moslem, zu alt für meine Tochter, Sohn einer Putzfrau und überhaupt.
Lena brach zusammen, als die Eltern Mustafa vertrieben hatten. Seine Briefe wurden abgefangen und vernichtet. Vater Pirelli zog sogar vor Gericht und erwirkte einen Beschluss, der besagte, dass sich Mustafa Rotberg von Lena Pirelli ab sofort fernzuhalten habe. Ob Solo damals mit der Vierzehnjährigen geschlafen hatte, wurde nicht geklärt. Die Eltern lehnten eine
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