Grappa 08 - Grappa und die fantastischen Fuenf
drin.
Rechts ein kleiner Lebensmittelladen, links ein Tapeziertisch mit allerhand Schriften und Flugblättern, manche in Türkisch, andere mit arabischen Schriftzeichen versehen. Ich tat so, als würde ich das Frischwarenangebot des Ladens einer ausführlichen Prüfung unterziehen, und behielt den Eingang Auge.
Ein dummes Unterfangen, denn Solo konnte genauso gut schon vor mir gekommen sein. Ich verließ den Laden und folgte den Männern, die vermutlich Richtung Gebetsraum gingen.
Auf der linken Seite sah ich einen Waschraum, dessen Tür geöffnet war. Ein paar Männer, manche mit nackten Beinen und Füßen, wuschen sich in einem länglichen Becken, über dem etwa zwanzig Wasserhähne angebracht waren. Einer der Männer sah hoch, erblickte mich und erstarrte. Dann brüllte er etwas Unfreundliches. Die anderen Muslime hoben alle zugleich die Köpfe und blickten mich an. Ein fürchterliches Geschrei ging los, vor Schreck trat ich ein paar Schritte zurück.
»Was wollen Sie hier?«, fragte eine Stimme hinter mir. Ich fuhr herum. Ein komplett angezogener junger Mann stand da, noch war seine Miene freundlich. »Ich bin der Vorsitzende des Türkischen Kulturvereins. Mein Name ist Ismet Kücük.«
»Und ich bin Journalistin«, sagte ich und zog meinen Presseausweis hervor. »Meine Name ist Maria Grappa. Ich mache eine Reportage über das Frauenbild im Islam am Beispiel Bierstadt. Doch leider scheine ich hier die einzige Frau in diesem Haus zu sein. Dürfen die Frauen in Ihrer Religion nicht am Freitagsgebet teilnehmen?«
»Wie kommen Sie auf so was? Frauen haben ihren eigenen Gebetstag. Am Freitagsgebet dürfen sie auch teilnehmen – in der oberen Etage.«
»Interessant!«, heuchelte ich, ohne die Männer, die inzwischen in größeren Gruppen an mir vorbeizogen, aus den Augen zu lassen. Es würde fast unmöglich sein, Solo in diesen Männertrauben zu entdecken.
»Oben auf der Empore gibt es Vorhänge, hinter denen die Frauen dem Gebet des Iman folgen können.«
»Warum Vorhänge?« Noch war kein Solo in Sicht.
»Damit die Männer die Frauen nicht sehen können – und umgekehrt. So ist tiefe Andacht auf beiden Seiten gewährleistet.«
»Sie sprechen gut deutsch«, lobte ich meinen Gesprächspartner. »Sind Sie in Deutschland aufgewachsen?«
»Natürlich«, antwortete Kücük. »Darf ich Sie jetzt auf die Empore begleiten?«
»Einen Moment noch«, sagte ich. Ich musste Zeit gewinnen, denn von der ersten Etage aus würde ich Solo nie finden. »Wollen Sie mir wirklich erzählen, dass im Islam Männer und Frauen gleichgestellt sind?«
»Keineswegs. Die Natur und der Koran wollen keine vollkommene Gleichheit zwischen den beiden Geschlechtern, sondern eine Teilung der Aufgaben und Handlungen. Es ist nicht der Mann, der das Kind gebiert, und nicht die Frau, die befruchtet! Die Frau hat eine zartere körperliche Veranlagung, die sich auch im geringeren Gewicht ihres Gehirns und ihrer Knochen zeigt.«
»Tatsächlich?« Ich blickte den schmächtigen Kücük an, der mir gerade bis zur Schulter reichte.
»Der Mann ist stärker als die Frau«, fuhr er ungerührt fort. »Er hat die größere Kraft und ist deshalb besser geeignet, die schwierigen Anforderungen des Lebens zu bewältigen.«
»Ja, sicher«, murmelte ich abwesend. Meine Aufmerksamkeit wurde von zwei Männern gefangen genommen, die gerade das Portal durchschritten. Es waren Mamoud Tabibi und Mustafa »Solo« Rotberg!
»Kommen Sie jetzt bitte!« Kücük hatte meinen Arm genommen. Die bösen Blicke, die die Gläubigen mir zollten, hatten ihn wohl nervös gemacht.
»Moment«, sagte ich. »Ich habe gerade zwei Bekannte gesehen!«
Schnurstracks marschierte ich auf das Duo zu. Solo lächelte, als er mich sah.
»Grappa«, sagte er. »Was machst du denn in der Bruthöhle der Frauenunterdrückung?«
»Ich suche dich«, antwortete ich. Dann wandte ich mich Mamoud Tabibi zu. »Ich glaube, ich weiß, wer der Mörder Ihres Vaters ist.«
»Vielleicht können wir nach dem Gebet darüber reden«, meinte Solo schnell. »Du störst die Andacht, liebe Grappa!«
»Ich bin nicht deine liebe Grappa«, widersprach ich. »Nicht mehr, seitdem ich gestern in deiner Wohnung war.«
»Ach ja ...?«, dehnte Solo.
»Ich habe Engelchen gesprochen.«
»So?«
»Es war nicht schwer, sie zu übertölpeln!«
»Hast du der Polizei gesagt, dass ...« Er sprach nicht weiter.
»Noch nicht«, sagte ich wahrheitsgemäß. »Ihr Zustand lässt es sehr unwahrscheinlich erscheinen, dass sie
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