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Grappa 09 - Grappa-Baby

Grappa 09 - Grappa-Baby

Titel: Grappa 09 - Grappa-Baby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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hochstöckelte. Er war ungefähr sechzig, neigte zur Fülle, die er durch legere Kleidung kaschierte. Ich konnte ihm direkt in die Augen gucken, denn er war kaum größer als ich.
    »Ich bin Maria Grappa«, sagte ich herzlich. »Ich freue mich, Sie kennenzulernen.«
    »Die Freude ist ganz meinerseits«, versicherte er. Die Augen waren durch die Oberlider fast verdeckt, der Blick wirkte verschleiert. Seine Lippen verrieten den Genießer, der Zug um seinen Mund erzählte von Gewalt und Rücksichtslosigkeit.
    Armer Frank, dachte ich, dem da bist du in tausend Jahren nicht gewachsen.
    »Kommen Sie bitte, Frau Grappa«, sagte Burger. »Ich habe auf der Terrasse einen kleinen Imbiss herrichten lassen.«
    Er legte die Hand auf meinen Arm und geleitete mich durchs Wohnzimmer wieder ins Freie.
    Die Terrasse war sonnendurchflutet. Englische Teakholzmöbel der feinsten Art, große Terrakotta-Blumenkübel mit Zitruspflanzen, die weiße Blüten und gelbe Früchte trugen. Ein leichter Wind wehte Orangenblütenduft zu mir hin.
    »Herrlich«, entfuhr es mir. Der Blick in den Garten war schön. Vor der Terrasse fiel der englische Rasen ein wenig ab, ein gepflasterter Weg führte zu steinumrandeten Beeten, in denen Rosen üppig wucherten.
    »Es freut mich, dass es Ihnen gefällt«, sagte Burger. »Der Garten war Kristins große Liebe. Sie hat ihn entworfen und gepflegt. Das ist jetzt alles vorbei.«
    »Tut mir leid.« Ich machte eine kleine Pause und fragte dann: »Darf ich mir die Rosen ansehen?«
    Ohne die Antwort abzuwarten, lief ich den Weg hinunter. Rechts blühte es gelb, doch weiter hinten war ein Beet mit dunkelroten Edelrosen. Sie ähnelten denen, die ich im Abfallcontainer des Krankenhauses gesehen hatte.
    »Diese Rose heißt Kristin.« Burger stand wieder neben mir. Er griff in die Hosentasche und holte eine Gartenschere heraus. Mit geübter Hand knipste er einen langen Stiel ab, entfernte ein paar Blätter und reichte sie mir. »Eine bezaubernde Rose für eine attraktive Frau.«
    Der will gutes Wetter machen, dachte ich und säuselte: »Wie charmant! Wie kommt diese wunderbare Blume zu dem Namen Kristin? Züchten Sie etwa selbst?«
    Dr. Burger nickte. »Kristin hat schon als kleines Mädchen alles Schöne geliebt. Dunkelrot war ihre Lieblingsfarbe. Als ich die Neuzüchtung anmeldete, gab ich ihr den Namen meiner über alles geliebten Tochter.«
    Burger wandte sich abrupt ab, verbarg sein Gesicht. »Lassen Sie uns wieder auf die Terrasse gehen«, bat er. »Meine Nerven sind nicht mehr die besten.«
    Ich folgte ihm zur Sitzgruppe. Burger hatte eine leicht nach vorn gebeugte Haltung. Ich dachte an den Ausdruck ›vor Gram gebeugt‹.
    Stumm zeigte Burger auf den Stuhl, auf den ich mich setzen sollte. Schwer atmend ließ er sich in seinen Sessel fallen. Ich sah, dass er sich bemühte, die Fassung zu behalten.
    »Kaffee oder lieber einen Saft?«, fragte er mit belegter Stimme.
    »Kaffee.«
    Er goss ein, schob mir dann Milch und Zucker hin.
    »Es ist nicht einfach, mit diesem Schmerz fertig zu werden«, begann er.
    »Das kann ich gut nachfühlen«, erwiderte ich. »Wie verkraftet Ihre Frau die Sache?«
    »Sie hat das alles sehr mitgenommen. Ich habe sie in eine Privatklinik bringen lassen«, erklärte er.
    »Tut mir wirklich leid«, murmelte ich.
    Einige Augenblicke lang war nur das Geräusch meines Löffels in der Tasse zu hören.
    »Wollen Sie mir keine Fragen stellen?« Burger hatte sich wieder im Griff.
    »Ich will Sie nicht befragen, sondern nur mit Ihnen reden, Ihre Ansichten kennenlernen. Sie und Ihre Frau machen eine schwere Zeit durch. Ich werde das nicht für eine Story ausnutzen.«
    »So viel Einfühlsamkeit hatte ich gar nicht erwartet«, meinte Burger bitter. »Ich dachte, Sie vertreten einseitig die Position meines Schwiegersohnes. Zumindest haben Ihre Berichte so auf mich gewirkt.«
    Ich schlürfte den heißen Kaffee. »Ich glaube, dass Sie das falsch sehen«, widersprach ich. »Der Fall, um den es hier geht, ist kompliziert. Emotional, juristisch und ethisch. Natürlich habe ich viel Verständnis für Frank. Er leidet darunter, seine Frau im Koma zu sehen, und er hasst den Verbrecher, der sie vergewaltigt hat. Und er hasst das ungeborene Kind. Das ist doch ganz natürlich, oder?«
    »Auf den ersten Blick vielleicht.« Burger erhob sich, ging zu einem Barwagen und kam mit einem halbvollen Whiskey-Glas zurück. »Frank hat den Unfall verschuldet, weil er zu schnell gefahren ist. Er war schon immer

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