Grappa 09 - Grappa-Baby
bei der Frau eine bestimmte Menge an Samen direkt in die Gebärmutter eingeleitet. Danach hat die Natur ihre Chance – die kleinen Spermien suchen sich also eine unbefruchtete Eizelle und ... zack!« Beim Wort Zack knallte Berggrün die geballte Faust auf den Tisch.
Luigi nahm es als Aufforderung, nach dem Rechten zu sehen. »Alles in Ordnung, Signore?«, fragte er beflissen. Wir versicherten, dass alles okay sei.
Luigi winkte einem der Kellner, der sofort mit zwei Tellern anrückte. Ruccola mit Steinpilzen. Diese waren goldbraun in Olivenöl gebraten, oben drauf grüner Pfeffer und hellgelb geröstete Knoblauchscheiben. Die Salatsauce bestand aus Walnussöl und einem Hauch Balsamessig.
»Der Samen muss natürlich vorbereitet werden«, setzte Berggrün seine Erklärung fort. »Nur die beweglichen und gesunden – also aussichtsreichen Spermien werden in die Nähe der Eizelle gelassen. In manchen Fällen ist auch eine hormonelle Stimulation der Frau nötig, um die Chance auf eine Schwangerschaft zu erhöhen.«
»Und wie sieht die Trefferquote aus?«
Die Steinpilze waren vorzüglich. Ich liebte diese gedrungenen, hellbraunen Produkte der Natur, deren Myzelien monatelang im Waldboden schlummerten, um dann irgendwann im Spätsommer Früchte zu bilden, die mit ihrer Würze meinen Gaumen streichelten.
»Die Schwangerschaftsrate liegt bei der intrauterinen Insemination bei etwa sieben bis dreißig Prozent pro Zyklus.«
»Könnte es sein, dass Kristin Faber durch dieses Verfahren geschwängert worden ist?«
Die Pasta wurde gebracht. Penne arrabiata – Nudeln mit Olivenöl, in dem scharfe Chilischoten gebacken worden waren.
»Ach, darauf wollen Sie hinaus?« Berggrün war überrascht, überlegte dann aber.
»Das stellte die ganze unglückselige Affäre in ein völlig neues Licht«, sagte er dann. »Und wer sollte Ihrer Meinung nach einen solchen Eingriff an der Frau vornehmen? Und vor allem: in wessen Auftrag?«
»Keine Ahnung«, gab ich zu. »Vielleicht ein medizinisches Experiment? Ein Arzt, der mal ausprobieren will, wie die Schwangerschaft einer Patientin im Koma verläuft?«
»Unmöglich. So etwas ist wissenschaftlich uninteressant. Es gibt genug dokumentierte Fälle aus den USA.«
»Dann muss es jemand gewesen sein, der Kristin Faber aus persönlichen Gründen zur Mutter machen will«, sagte ich.
»Und an wen denken Sie da?« Bildete ich es mir ein, oder stockte Berggrüns Atem?
»Der Vater. Er liebt seine Tochter abgöttisch, konnte seinen Schwiegersohn nicht leiden. Nun hat er die einmalige Chance, nicht nur seine Tochter, sondern auch sich selbst zu reproduzieren.«
»Ihre Fantasie geht mit Ihnen durch, gnädige Frau!«
»Mag sein. Ab wann ist es eigentlich möglich, einen Vaterschaftstest zu machen?«
»Wenn das Kind geboren ist.«
»Keine Fruchtwasseranalyse?«
»Bei dieser Patientin wäre das zu risikoreich, würde sowieso keine endgültige Gewissheit bringen. Uns liegt außerdem keine Genehmigung des Vormundes vor«, erklärte der Chefarzt.
Während ich munter weiterfutterte, hatte Berggrün die Nahrungsaufnahme vorübergehend eingestellt – mein Brainstorming war ihm auf den Magen geschlagen.
»Die Staatsanwaltschaft wird sowieso einen Vaterschaftstest anordnen«, spekulierte ich, »und die Werte mit den Ergebnissen aller Männer vergleichen, die Zugang zum Krankenzimmer hatten. Immerhin gehen die Ermittlungsbehörden noch von Vergewaltigung aus.«
»Haben Sie jemandem von Ihrem Verdacht erzählt?«, fragte der Chefarzt.
»Nein. Ich habe ja erst heute Abend von Ihnen erfahren, wie einfach eine künstliche Befruchtung ist. Ein Arzt, ein Pfleger, eine Krankenschwester – jeder kann jetzt der Täter sein.«
»Das ist eine sehr kühne Theorie.«
»Aber denkbar, oder?«
Berggrün schaute mir direkt in die Augen. »Allerdings. So könnte es wirklich gewesen sein.«
»Helfen Sie mir, Beweise zu finden!«
»Ich spioniere nicht hinter meinen Mitarbeitern her.«
»Schade. Ich dachte, Sie seien daran interessiert, den Fall zu klären und Ihre Klinik aus den Schlagzeilen zu bekommen.«
Berggrün schwieg. Er überlegte. Dann fragte er: »Was soll ich machen?«
Ich orderte eine neue Flasche Wein, doch auf seine Frage hatte ich auch keine Antwort.
Rosen und Reue
In meiner Wohnung brannte Licht – ich hatte eine Lampe angelassen, als sei Nik noch da. Mir zog es das Herz zusammen, als ich an ihn dachte. Der Lift brachte mich in die fünfte Etage. Vor der Wohnungstür lag ein Strauß gelber
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