Grappa 09 - Grappa-Baby
da drin?«
»Dass er Kristin Faber vergewaltigt hat und dass diese Schuld ihn nicht weiterleben lässt.«
»Das ist ein Ding! Damit wäre der Fall ja geklärt, oder?«
»Ich will erst die Obduktion abwarten«, erklärte der Hauptkommissar.
»Hat er den Anschlag auf Nik auch gestanden?«
»Davon ist in dem Brief keine Rede.«
»Irgendwie stinkt die Sache«, grübelte ich, »Cornett stirbt zu dem Zeitpunkt, als er angeblich auspacken will. Merkwürdig, nicht?«
»Wenn's Mord war, werden wir es bald wissen.«
»Wie geht es Nik?«, fragte ich, ohne es zu wollen.
»Besser. Er ist wieder bei Bewusstsein, doch noch sehr schwach. Er hat nach Ihnen gefragt.«
»Ach, ja?«
Infos für den Mörder
Zwischen Leben und Tod – Anschlag auf Kriminalbeamten – diese Schlagzeile prangte mir am nächsten Morgen als Aufmacher im Bierstädter Tageblatt entgegen.
Nikolaus Kodil, Hauptkommissar bei der Kriminalpolizei, ist durch zwei Schüsse schwer verletzt worden. Der 35-jährige Kriminalbeamte wollte sich im Stadtpark mit einem Informanten treffen, als die Schüsse fielen. Stark blutend konnte sich Kodil auf die Straße schleppen, wo ihn Kollegen einer zufällig vorbeifahrenden Streife fanden. Eine sofortige Operation rettete dem Kriminalbeamten das Leben. Noch ist Kodil nicht vernehmungsfähig. Kodil leitet die Untersuchung im Fall Kristin Faber. Die seit fünf Monaten im Koma liegende Frau ist in der Klinik von einem Unbekannten vergewaltigt worden und im dritten Monat schwanger. Zwischen den Eltern der Frau und dem Ehemann ist ein erbitterter Streit über die Frage ausgebrochen, ob Kristin Faber das Kind austragen soll oder nicht. Die Ärzte geben dem ungeborenen Baby eine gute Chance, das Licht der Welt zu erblicken.
Gar nicht schlecht, Jansen, dachte ich und beeilte mich mit dem Frühstück. Ich würde heute die Story von Cornetts Tod verfassen, meinen Unglauben darüber äußern, dass sich der Oberarzt das Leben genommen hatte und einige gewagte Mordtheorien aufstellen.
Einen kleinen Fehler hatte Jansen aber doch gemacht – der Mörder wusste jetzt, dass Nik noch lebte, und das brachte ihn in Gefahr. Ich wählte Brinkhoffs Durchwahl.
»Hat Kodil noch Polizeischutz?«, wollte ich wissen. »Was ist, wenn der Mörder von Cornett auch Nik den Mund stopfen will?«
»Er wird noch immer rund um die Uhr bewacht. Nur Verwandte und Freunde dürfen zu ihm«, beruhigte mich der Hauptkommissar.
»Dann ist es ja gut«, meinte ich erleichtert. »Wie geht es ihm heute? Haben Sie ihn schon vernehmen können?«
»Sein Zustand ist zwar stabil, doch er kann sich an nichts erinnern. Die Ärzte sagen aber, dass sich das bald ändern kann. Er ist noch sehr schwach, schläft viel.«
»Bekommt er Besuch?« Ich dachte an Libussa.
»Nein. Er will niemanden sehen. Nur Sie sind erwünscht.«
»Wie rührend«, versuchte ich ironisch zu sein.
»Sie sollten ihn besuchen.«
»Ich werd's mir überlegen. Gibt es schon was Neues im Fall Cornett?«
»Allerdings. Es war kein Selbstmord. Er wurde ertränkt. Jemand hat ihn unter Wasser gedrückt.«
Zugedeckt lassen, ja?
Schnell unter die Dusche, noch etwas Kaffee und eine Aspirin. Ich muss aus diesem depressiven Loch raus, dachte ich, und das klappte bei mir nur durch Arbeit, die ständige Beschäftigung mit allem, was nichts mit meinem Beziehungsproblem zu tun hatte.
Bevor ich ging, überprüfte ich im Spiegel meinen Gesichtsausdruck – er war mehr als melancholisch. Tapfer lächelte ich mir zu – es gelang mir schon ganz gut, doch die Augen machten nicht mit. Beim dritten Versuch drückte ich die Wirbelsäule raus, streckte die Brust vor, legte die Schultern zurück und hob den Kopf. Schon besser. Fast die alte Grappa, das Mädel zum Pferdestehlen, das Mädel für den Zug durch die Gemeinde und für die anderen rustikalen Dinge des Lebens.
Vor Niks Krankenzimmer schob ein Grünrock Wache. Ich durfte grundsätzlich rein, doch der Polizist bestand darauf mitzukommen. »Ich muss aufpassen, dass dem Kollegen nichts passiert«, sagte er.
»Prima«, witzelte ich. »Ich mag junge Menschen, die ihre Arbeit ernst nehmen.«
Wir traten ein. Nik hatte die Augen geschlossen, er sah bleich aus, doch besser als in der Nacht nach dem Anschlag. Sein Atem war flach, doch ruhig. Er sah hilflos aus, verletzbar, schutzlos, lieb. Jetzt hätte ich ihm alles verzeihen können.
»Hallo, Baby«, sagte ich leise.
Er antwortete nicht.
Leise zog ich einen Stuhl zu mir hin und setzte mich. Ich griff nach
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